ISBN: 3548363512

Wladyslaw Szpilman

"DER PIANIST"


5. Dezember 2011
Kantonsschule – Gymnasium Zug
Einladung

Zum 100. Geburtstag von Wladyslaw Szpilman (5.12.1911 bis 6.7.2000),

Pianist und Komponist, dessen Überleben im Warschauer Ghetto von Roman Polanski in DER PIANIST verfilmt wurde, präsentiert sein Enkel Daniel Szpilman, Maturand an der Kantonsschule Zug, seine Maturaarbeit zum Thema "Hilft Kultur, um im Ghetto zu überleben? Die Rolle der Kultur im Warschauer Ghetto". Ein Konzert, in welchem die Pianistin Kateryna Tereshchenko Werke von Frédéric Chopin, Gideon Klein, Wladyslaw Szpilman und Viktor Ullmann aufführt, umrahmt die Präsentation.
Zur Präsentation samt Konzert sind Sie herzlich eingeladen.

5. Dezember 2011
19.15 Uhr.

Aula der Kantonsschule Zug, Lüssiweg 24. 6302 Zug

http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2011/12/06/Schweiz/Der-Pianist-ein-Revival-an-der-Kantonsschule-Zug

Remi Bütler
Dienstag, 6. Dezember 2011, 16:16 Uhr
Wladyslaw Szpilman kam vor 100 Jahren in Warschau zur Welt. Die Biographie des polnisch-jüdischen Pianisten und Komponisten wurde von Roman Polanski verfilmt. Nun lässt Daniel Szpilman die Geschichte seines berühmten Grossvaters in einer Maturaarbeit an der Kantonsschule Zug wieder aufleben.
«Der Pianist» an der Kantonsschule Zug («Schweiz aktuell», 06.12.11)

«Meine Arbeit ist eine Hommage an meinen Grossvater und sechs Millionen Juden», sagt der 19jährige Daniel Szpilman. Die Liebe zu Chopin und zu Warschau verbinde ihn mit seinem Grossvater. Dieser hatte die Schrecken des Zweiten Weltkriegs im Warschauer Ghetto überlebt, während die Familie im KZ ermordet worden war. Seine Tätigkeit als Pianist habe den Menschen im Ghetto Kraft zum Überleben gegeben, bilanziert Daniel Szpilman, der seinen Grossvater als «Idol und Vorbild» bezeichnet.
100. Geburtstag des Pianisten
Im Warschauer Ghetto, welches die Deutschen 1943 während des Aufstandes dem Erdboden gleichgemacht hatten, gelang es Wladyslaw Szpilman zu überleben. Ein Wehrmachtsoffizier hatte ihm das Leben gerettet.
Die dramatische Biographie und die Rolle der Kunst im Ghetto sind Thema von Daniel Szpilmans Maturaarbeit an der der Zuger Kantonsschule. Genau am 100. Geburtstag Wladyslaw Szpilmans hat er sie vor Publikum präsentiert – als Würdigung und Andenken an einen Überlebenden des Holocaust.


4.12.2011 um 14.30 Uhr

Zum 100. Geburtstag von Wladyslaw Szpilman (5.12.1911 bis 6.7.2000)

Enthüllung einer Denkmaltaffel in Warschau in der Al. Niepodleglosci 223 am 4.12.2011 um 14.30 Uhr - in Anwesenheit der Präsidentin von Warschau Frau H. Gronkiewicz Waltz, Minister J. Sakolowski und Bürgermeister des Stadteils Ochota.

Wir laden Sie zu dieser Ceremonie herzlich ein.


12. 12. 2011 18.00 Uhr Theater Ateneum Warszawa - "Szpilmania" Konzert

http://news.o.pl/2011/12/03/szpilmania-teatr-ateneum-warszawa/


5.12.2011 18.00 Uhr Sosnowiec

Abschlusskonzert des "Szpilman Jahres" Weitere Informationen : http://www.szpilman.pl/




Wladyslaw Szpilman - Der Pianist von Warschau

Feierliche Eröffnung des Kozertstudios "Wladyslaw Szpilman" im Hauptgebäude des Polnischen Rundfunks

Download PDF



Wladyslaw Szpilman spielt F. Chopin

Nocturne op. 20 posthume C sharp minor (1998) ©1998 by Andrzej Szpilman


Songs von Wladyslaw Szpilman

gesungen von polnischen Stars


Andrzej Szpilman bei Jürgen Fliege (2002)


Dr. Halina Szpilman Pleyel in Paris - Mai 2008



Freitag, 10. Dezember 2010

Akademie der Künste, Pariser Platz (Plenarsaal)

Zwei Veranstaltungen am 10. Dezember im Plenarsaal der Akademie der Künste am Pariser Platz richten
den Blick auf Wladyslaw Szpilman. Im Wechselspiel von Lesung und Recital – Werke von Szpilman
und Chopin – schaffen Ulrich Matthes und Mikhail Rudy eine bewegende Hommage für den legendären
Musiker, dessen Schicksal durch Roman Polanskis Film „Der Pianist“ einem Millionenpublikum in der
ganzen Welt bekannt wurde. Dem Film und seiner Wirkung widmet sich vorausgehend ein Roundtable.

17h: Der Pianist. Ein Film und seine Wirkung. Roundtable.
Mit Andrzej Szpilman (Sohn von Wladyslaw Szpilman), Dr. Rolf Rietzler (Journalist, Historiker,
Hamburg), Prof. Dr. Cezary Król (Historiker, Warschau).

20h: Der Pianist. Das wunderbare Überleben. Hommage an Wladyslaw Szpilman.
Mit Ulrich Matthes (Lesung) und Mikhail Rudy (Klavier).

Sehr geehrte Damen und Herren,


das Thema Nationalsozialismus hat auch 65 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs nichts von seiner Brisanz eingebüßt. Immer wieder wird die Frage nach Verantwortung und Schuld neu gestellt. Das Deutsche Historische Museum in Berlin zeigt in diesem Herbst eine Ausstellung, die versucht, die Mechanismen der Verführung einer ganzen „Volksgemeinschaft“ zu beleuchten. Eine von Ex-Außenminister Joschka Fischer eingesetzte Historiker-Kommission hat soeben einen Bericht vorgelegt, der die Rolle des Auswärtigen Amtes bei der systematischen Verfolgung der Juden in Europa neu bewertet.

Wir möchten Sie zu einer Veranstaltungsreihe einladen, die sich der Thematik von einer anderen Seite nähert und erstmals einen bis heute in Deutschland nicht aufgearbeiteten Themenkomplex präsentiert.

Die Ausstellung „Musik im okkupierten Polen 1939-1945“, die im Rahmen eines von der Europäischen Kommission geförderten polnisch- deutsch-französischen Projektes in diesem Sommer für Präsentationen in Marseille, beim Schleswig-Holstein Musik Festival und beim Festival Warschauer Herbst erarbeitet wurde, wird ab dem 9. November um 19 Uhr im Foyer des Marstalls der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin zu sehen sein. Das Eröffnungskonzert um 20 Uhr im Krönungskutsch-Saal des Marstalls mit dem Berliner Aperto Piano Quartett und befreundeten Musikern ist zentralen Werken der polnischen Moderne gewidmet, die exemplarisch zeigen, welch musikalischer Reichtum in Polen durch Weltkrieg und Shoah verschüttet wurde.

Neben der Hochschule für Musik Hans Eisler konnten wir auch die Akademie der Künste Berlin für die Zusammenarbeit gewinnen. Im Plenarsaal der Akademie am Pariser Platz findet am 10. Dezember eine Hommage an Wladyslaw Szpilman statt, den polnisch-jüdischen Pianisten, der Anfang der dreißiger Jahre in Berlin bei Artur Schnabel und bei Franz Schreker an der Akademie der Künste studiert hatte. Die mit allen bedeutenden internationalen Preisen ausgezeichnete Verfilmung seiner Überlebensgeschichte durch Roman Polanski gilt als Schlüsselwerk im Rahmen der Aufarbeitung des zweiten Weltkriegs durch das Medium Kino. Den Fragen nach der Wirkung des Films und seiner Bedeutung für den deutsch-polnischen Dialog geht ein Roundtable mit Historikern und Journalisten aus Deutschland und Polen sowie dem Sohn des Pianisten, Andrzej Szpilman nach.

Das Projekt ist ein Beitrag zum Chopin-Jahr 2010 und zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus.
.
Frank Harders-Wuthenow, Hannelore Brenner-Wonschick
Vorstand




Bestes Buch des Jahres 2001 "Lire" - Frankreich

Bestes Sachbuch 1999 "Los Angeles Times" - USA

Buch des Jahres 1999 "The Guardian" - England


ISBN: 3548363512

Wladyslaw Szpilman

"DER PIANIST"

...ein ergreifendes Zeitdokument... - Marcel Reich-Ranicki

"Das Buch von Wladyslaw Szpilman ist so frisch, lebendig, herzzerreissend, direkt und wunderschön geschrieben, daß es schafft die Geschichte dieser Ereignisse uns von neu an zu vermitteln und begreiflich zu machen." Carmen Callil - Sunday Telegraph

Man kann aus diesem kurzen Bericht mehr über die Natur des Menschen lernen als aus zahlreichen Geschichtsbüchern. - Independent on Sunday

jetzt in über 38 Sprachen übersetzt

in der ersten revidierten Ausgabe
erschien im März 1998 herausgegeben von Andrzej Szpilman bei Econ-Ullstein-List Verlag
unter dem Titel
"Das wunderbare Überleben"
Aus dem Polnischen von Karin Wolff
Vorwort: Andrzej Szpilman
Anhang von Wilm Hosenfeld
Mit einem Nachwort von Wolf Biermann

Bestes Sachbuch des Jahres 2001 "Lire"

Grand Prix der Leserinen "ELLE" 2002

Top fünf des Jahres 1999 Kat. Biographie Zeitung "The Sunday Times"

"The Economist": Auswahl der Kritiker 1999

"Economic Times" - Sachbuch 1999

"Library Journal" - Bestes Buch 1999

JEWISH QUARTERLY-WINGATE: Sachbuch des Jahres 2000


Wladyslaw Szpilman spielt sein Concertino komponiert im Warschauer Getto in 1940

Polish Radio Orchestra Dir. Stefan Rachon (Aufnahme v. 1972)

Verleger Boosey & Hawkes - Berlin

.


"The Pianist" Movie by Roman Polanski based on the book by Wladyslaw Szpilman

Trailer:

Oscar - Roman Polanski







Wladyslaw Szpilman - spielt Sergei Rachmaninovs "Rhapsody on a theme by Paganini"

Warsaw National Philharmonic Orchestra Dir. Witold Rowicki

Konzertaufnahme Warschau 1956



Peter Jennings: Wladyslaw Szpilman Interview ABC News Jan. 1985


Wladyslaw Szpilman Der Pianist

Ein Beitrag von Prof. Dr. Steven Paul


"Der Pianist" Ein Film von Roman Polanski

nach dem Buch "Der Pianist - Mein wunderbares Überleben" von Wladyslaw Szpilman

Trailer:


1998 erschienen Wladyslaw Szpilmans Warschauer Erinnerungen der Jahre 1939–1945. Zunächst in Deutschland, doch schnell fanden sich Verleger in allen Kontinenten, die von der Notwendigkeit überzeugt waren, dieses einzigartige Dokument über die Shoah einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Durch die mit allen bedeutenden internationalen Filmpreisen – darunter 3 Oscars – ausgezeichnete Verfilmung Roman Polanskis (The Pianist, 2002) erreichte die authentische Geschichte dieses polnischen Musikers jüdischer Abstammung ein Millionenpublikum. Der Tod einer Stadt war der ursprüngliche Titel von Szpilmans bereits 1946 erstmals in Polen erschienenem Buch über sein Überleben des Zweiten Weltkriegs im Warschau unter deutscher Besatzung. Unmittelbar nach dem Krieg, noch unter dem ungefilterten Eindruck des Erlittenen, berichtete er von der Hölle des Gettos, von der Deportation seiner Familie ins Vernichtungslager Treblinka, vor der er selbst bewahrt wurde, weil man ihn, den bekannten und beliebten Musiker, bei der Verladung auf dem Umschlagplatz in Warschau aus der Menge der Todgeweihten herausgriff; er berichtete von der Solidarität polnischer Freunde, die ihm nach der Flucht aus dem Getto unter Lebensgefahr Unterschlupf gewährten, ihm Verstecke besorgten, bis er, kurz vor Ende des Krieges, in dem schon fast vollständig zerstörten Warschau von dem deutschen Wehrmachtsoffizier Wilm Hosenfeld vor dem Verhungern gerettet wurde. Szpilmans Buch fiel damals der Zensur der neuen, kommunistischen Machthaber zum Opfer, denn es war alles andere als politisch korrekt. Nach den Greueln des Holocaust konnte ein deutscher Offizier als Retter ebenso wenig durchgehen wie die Benennung polnischer und ukrainischer Kollaborateure bei der Vernichtung der polnischen Juden. So musste ein halbes Jahrhundert vergehen, bevor das Buch auf Initiative von Szpilmans Sohn Andrzej endlich den historischen Stellenwert bekam, der ihm von Anfang an zustand.

Hinter Buch und Film verschwindet allerdings die reale Persönlichkeit Wladyslaw Szpilman, der so viel mehr war als nur ein charmanter, blendend aussehender Pianist am Polnischen Rundfunk in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Es ist Zeit, dem künstlerischen Wirken dieses Orpheus polonicus, den wir vergebens in den einschlägigen Lexika suchen und der doch über Jahrzehnte hinweg das polnische Musikleben geprägt hat, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dazu gehört die Würdigung seines erhaltenen kompositorischen Schaffens, das im Rahmen der Szpilman-Edition bei Boosey & Hawkes erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Es vermittelt den Eindruck von der Vielfalt eines Talentes, dessen schöpferisches Wirkungsfeld aufgrund der politischen Umstände zu Lebzeiten auf sein Heimatland beschränkt bleiben musste.

1911 in Sosnowiec geboren, erhielt Szpilman seine musikalische Ausbildung zunächst an der Warschauer Chopin-Akademie, wo er bei Alexander Michalowski und Josef Smidovicz (Schüler und Enkelschüler Franz Liszts) Klavier studierte. Wie so viele polnische Musiker zog es ihn dann nach Berlin, wo er sein Können bei Leonid Kreutzer und Artur Schnabel vervollkommnete, als Komponist ging er bei keinem geringeren als Franz Schreker in die Lehre. 1933 kehrte er nach Polen zurück und begann eine glänzende Karriere als Solist, gleichzeitig konzertierte er als Kammermusikpartner so berühmter Geiger wie Henryk Szeryng, Roman Totenberg, Ida Händel und Bronislaw Gimpel. 1935 wurde er Hauspianist des Polnischen Rundfunks. In dieser Funktion spielte er am 23. September 1939 in der letzten Live-Übertragung des Rundfunks ein Chopin-Recital, darunter das cis-Moll-Nocturne, das Stück, das er später seinem Retter Hosenfeld vorspielen sollte und mit dem er 1945 den Funkbetrieb des Warschauer Senders wieder eröffnete. Nach Kriegsende war Szpilman maßgeblich am Wiederaufbau des polnischen Musiklebens beteiligt, er leitete die Musikabteilung des Polnischen Rundfunks bis 1963. 1961 gründete er das erste polnische Popularmusik-Festival Musik kennt keine Grenzen in Sopot. An seine Solo-Karriere als Konzertpianist konnte er nach den traumatischen Kriegserlebnissen aus Gründen eingeschränkter nervlicher Belastbarkeit nicht mehr anknüpfen, nahm jedoch ungezählte Soloprogramme für den Rundfunk auf (darunter viele Ur- und Erstaufführungen) und konzertierte weiterhin als Kammermusikpartner, vornehmlich mit dem befreundeten Geiger Bronislaw Gimpel, mit dem er 1963 auch das legendäre Warschauer Klavierquintett gründete. Die damals weltweit einzige Kammermusikformation dieser Besetzung gab bis 1986 Hunderte von Tournee-Konzerten in der ganzen Welt.

Darüber hinaus galt Szpilmans große Leidenschaft von Anfang an der Komposition, und es ist angesichts der wenigen erhaltenen Werke mehr als bedauerlich, dass ein Großteil seines bis zum Krieg entstandenen Œuvres bei der Zerstörung Warschaus verlorenging, darunter ein Violinkonzert, das von Roman Totenberg, Bronislaw Gimpel und Konrad Winawer aufgeführt wurde. Vielleicht taucht eines Tages doch noch eine Abschrift in einem Nachlass oder in einem Archiv wieder auf, wie die 1933 in Berlin entstandene Klaviersuite Das Leben der Maschinen, von der sich erst im Sommer 2002, zwei Jahre nach Szpilmans Tod, eine Kopie im Nachlass Jakob Gimpels, des Bruders von Bronislaw Gimpel, in Los Angeles wiederfand. Szpilman selbst hatte nach dem Krieg den letzten Satz dieses Werkes, die Toccatina, aus dem Gedächtnis rekonstruiert, wie auch das zur Zeit der Schließung der Tore des Warschauer Gettos 1940 vollendete Concertino (das er 1948 und noch einmal 1968 mit dem Symphonie-Orchester des Polnischen Rundfunks unter Stefan Rachon einspielte), und den Walzer im alten Stil von 1936, den er 1968 rekonstruierte und durch eine neue Coda ergänzte. Über das Musikleben im Getto (als dort noch kulturelle Veranstaltungen möglich waren) legt die ergreifende Mazurka Zeugnis ab, die Szpilman im Stile Chopins für eine Revue komponierte, als Ersatz für den echten Chopin, denn die Nationalsozialisten hatten seine Musik – klingendes Symbol für den Kampf Polens um seine nationale und kulturelle Unabhängigkeit – mit einem kategorischen Aufführungsverbot belegt. In der Paraphrase über ein eigenes Thema schrieb Szpilman 1947 eine Reihe von Jazz-Variationen über einen eigenen, vor dem Krieg entstandenen Song. In den Suiten nach eigenen Kinderliedern wurden einige seiner schönsten, in den 50er Jahren veröffentlichten Kinderlieder zu drei Klaviersuiten zusammengefasst. Für die Introduktion zu einem Film verwendete er Musik, die er 1957 für eine polnisch-tschechische Filmproduktion komponierte (in der übrigens Roman Polanksi in einer Nebenrolle zu sehen war). Die Kleine Ouvertüre entstand 1968 im Auftrag des Rundfunks, während die Ballettszene aus demselben Jahr ursprünglich als Ballettmusik zu einem Grimmschen Märchen gedacht war, dann jedoch als eigenständiges Konzertstück zur Aufführung kam. Sowohl der Walzer im alten Stil, als auch das Concertino, die Paraphrase und die Kleine Ouvertüre wurden zu Lebzeiten Szpilmans nur im Rundfunk, nie öffentlich im Konzert gespielt. Das Concertino erlebte seine Uraufführung vor Publikum, initiiert durch Arnold Schönbergs Enkel Randol Schoenberg, am 29. April 2001 in Los Angeles durch das Jewish Symphony Orchestra mit dem jungen Solisten Arthur Abbadi unter der Leitung von Noren Green. Der Walzer und die Kleine Ouvertüre erklangen live erstmals anlässlich des Szpilman-Gedenkkonzertes am 10. September 2002 in der Warschauer Philharmonie unter der Leitung von Antoni Wit.

Szpilman setzte selber keinen Ehrgeiz in die Verbreitung seiner symphonischen Werke, die er trotz ihrer Originalität vermutlich als Gelegenheitskompositionen betrachtete. Durch den Krieg am Komponieren gehindert, knüpfte Szpilman nach 1945 nicht mehr an die Sprache der zeitgenössischen Moderne an, als deren Repräsentant er sich doch mit seiner Klaviersuite 1933 noch verstehen konnte. Was nicht heißt, dass er sich in seiner Funktion als Musikchef des Rundfunks nicht für die Avantgarde einsetzte. Mit Witold Lutowslawski, der zu der Gruppe couragierter Menschen gehörte, die Szpilman nach seiner Flucht aus dem Getto zu überleben halfen, verband ihn zeitlebens eine enge Freundschaft. Wie auch mit der bedeutendsten polnischen Komponistin des 20. Jahrhunderts, Grazyna Bacewicz, deren Werke er ur- und erstaufführte. Möglicherweise genügte Szpilman neben seinen vielfältigen Aufgaben im Musikleben der Nachkriegszeit der immense Erfolg im unterhaltenden Genre, in dem er jahrzehntelang ohne Konkurrenz war: Szpilman komponierte mit leichter Hand an die 500 Songs in den unterschiedlichsten Stilen, von denen viele heute noch Evergreens sind, etwa 150 davon kamen in die polnischen Charts. Mit dem 2002 in Los Angeles produzierten Album Wendy Lands sings the music of Wladyslaw Szpilman wurden erstmals polnische Songs in Amerika gecovert. Szpilmans Wirken für die polnische Popularmusik muss vor allem auch vor dem politischen Hintergrund der stalinistischen Ära verstanden werden. Er kultivierte und propagierte sie nach westlichem, vor allem amerikanischem und französischem – also „bourgeois dekadentem“ – Vorbild gegen den ästhetischen Druck des sozialistischen Realismus und leistete damit Wesentliches für die Unabhängigkeit der populären Kultur Polens von dem Diktat Moskaus. Und so würdigte ihn auch Wojciech Kilar, der die Filmmusik zu The Pianist schrieb: „Jeder Absolvent der Musikhochschule ist in der Lage, eine Symphonie zu komponieren, möglicherweise wird sie auch einmal gespielt. Doch eine Melodie zu schreiben, die von hunderten von Interpreten gesungen und gespielt wird, dazu muss man schon wirklich geboren sein, am besten in Amerika. Wladyslaw Szpilman, unser Cole Porter, Gershwin, McCartney, ist zu unserem Glück (nicht unbedingt für ihn selbst), in Polen geboren.“

Szpilmans erhaltene Orchester-Kompositionen haben in ihrem biographischen Zusammenhang etwas Verstörendes, denn die Heiterkeit und Lebensfreude, die in ihnen zum Ausdruck kommen, widerspricht dem vehement, was wir im Zusammenhang mit dem Holocaust an Musik zu hören, ja zuzulassen gewohnt sind. Wie konnte er im Getto an seinem Concertino arbeiten, fragen wir uns, wo er täglich Zeuge der schlimmsten Greuel war, die Menschen anderen Menschen zufügen können? Aber wir wissen inzwischen von so vielen Komponisten, Musikern, Malern und Schriftstellern in den Gettos und Konzentrationslagern der Nazis, dass es gerade ihre Kunst war, mit der sie sich eine Oase schufen, mit der sie ihre Menschenwürde gegen ein System verteidigten, das ihnen alle Menschenrechte absprach. Krystian Zimerman spricht in seinem Geleitwort von der „positiven Energie“ in Szpilmans Musik, von ihrem „fast resurrektionsartigem Charakter“. Tatsächlich erleben wir in Szpilmans Werken – wie auch in seinem Klavierspiel – diese Energie, die weder aus dem Bauch noch aus dem Intellekt, sondern direkt aus dem Lebenszentrum gespeist zu sein scheint. Man meint, in ihnen jenen élan vital zu spüren, der ihn in all den Jahren der permanenten Todesangst und physischen Entbehrungen am Leben halten konnte.

Mit Ausnahme der Klaviersuite von 1933, die an den repetitiven „Maschinenstil“ Honeggers, Antheils, Prokofiews oder Mossolows anknüpft, ist Szpilmans Musik Konterbande im Grenzbereich zwischen E und U. Sie ist vor allem keine Bekenntnismusik, verschmäht den großen Ton, die große Geste. Statt epischer Breite – Konzentration (mit ca. 12 Minuten Spieldauer ist das Concertino das längste der erhaltenen Stücke) statt Gefühlstiefe – ironische Brechung. Szpilman liebt die Maskerade, das Spiel mit Idiomen, die, wie im Concertino, kaleidoskopartig aufblitzen können. Hier evoziert ein komponierender Pianist mit zwinkerndem Auge die verehrten Meister Chopin, Rachmaninoff und Ravel, um sich dann doch als Zeitgenosse Gershwins zu bekennen. Musik über Musik ist gleichsam die Ballettszene, die mit vertrauten aber doch stilistisch inkommensurablen Ikonen der Ballettmusik hantiert. Es scheint, als ob sich Debussys Faune in Strawinskys Sacre verirrt hätte. Wie Szpilmans Klavierspiel ist auch seine Musik stark vom Rhythmischen geprägt, der tänzerische Impuls ist überall präsent. In der Paraphrase – ein veritables Kompendium avancierter Jazz-Harmonik – swingt Szpilman im Big-Band-Stil der 40er Jahre, während er auch in seinem Walzer im alten Stil artistische Mimikry betreibt: Wie der amerikanische Musikjournalist Robert Everett-Green treffend bemerkte, ist dies „Musik für einen Ballsaal, der nur in Hollywood existierte, als jüdische Exil-Komponisten wie Erich Korngold und Max Steiner dort den Ton angaben.“ Jedes dieser Werke ist in seiner Art prototypisch und zeigt, in wie viele Richtungen Szpilmans kompositorisches Talent sich hätte entfalten können, hätte er nach 1933 seine Karriere im amerikanischen Exil fortgesetzt, wie so viele wegen ihrer jüdischen Abstammung in Europa verfolgte Komponisten, statt nach Polen zurückzukehren. Vermutlich wäre aus ihm tatsächlich ein polnischer Gershwin geworden, als den man ihn so gerne apostrophiert.

© Frank Harders-Wuthenow


Der Pianist

Jetzt als Schulbuch erhältlich.

Mit zahlreichen Texten und einem Kommentar von Dr. Uwe Stamer

Buch bei Amazon.de

Arbeitsheft bei Amazon.de

vom Schroedel Verlag auch erhältlich: Arbeitshefte für Lehrer und Schüler


     


Berlin. Er kommt in Begleitung seines Sohnes Andrzej mit ruhigem Gesicht und wachen Blick zur Tür herein. Ein Mann von 88 Jahren mit einer ergreifenden Lebensgeschichte. Er hat das Warschauer Ghetto überlebt. Wladyslaw Szpilman ist Konzertpianist und Komponist, und er lebt. Das zählt.
In Polen ist Wladyslaw Szpilman ein bekannter Mann, nicht nur als Pianist und Komponist klassischer Musik. Die Menschen sind mit seinen Liedern aufgewachsen, nach dem Krieg wurde die polnische Popmusik maßgeblich von ihm geprägt. Anläßlich der "Woche der Brüderlichkeit" fand in Berlin eine Matinee zu Ehren von Wladyslaw Szpilman statt, auf der die Chanson Sängerin Celine Muzil einige seiner bekannten Schlager interpretierte und Karin Wolff aus seinem Buch "Der Pianist" las.

Mit Ende Zwanzig erlebte er 1939 den Einmarsch der Deutschen in Polen. Der talentierte Konzertpianist arbeitete damals für den polnischen Rundfunk. Die "Nocturne cis-Moll" von Chopin war das letzte Stück, dass er am 23. September 1939 live im Sender spielen konnte. Dieses Klavierstück markiert den Anfangspunkt der Verfolgung und des Leidens von Wladyslaw Szpilman, dass mit der Besetzung Polens begann. Als Jude wurde Wladyslaw Szpilman systematisch ausgegrenzt und entrechtet. Das Warschauer Getto wurde zur Todesfalle, 1940 waren dort rund 500 000 Juden eingesperrt. Mehr als 300 000 wurden 1942 - perfekt organisiert von SS und Reichsbahn - in die Todeslager deportiert und ermordet. Wladyslaw Szpilman hat durch die Nationalsozialisten seine Eltern, seine Schwestern Regina und Halina, sowie seinen Bruder Henryk verloren. Er stand mit ihnen 1942 auf dem Sammelplatz in Warschau, um in die Vernichtungslager transportiert zu werden. Unerwartet und gegen seinen Willen, denn er wollte nicht von seiner Familie getrennt werden, wurde er noch einmal aus der Reihe der Todgeweihten herausgeholt.
Schließlich gelang ihm die Flucht aus dem Getto, und einige Zeit versteckten ihn seine polnischen Freunde.
In den Ruinen der entvölkerten Stadt hielt er sich in den letzten Kriegsmonaten alleine versteckt. Unrasiert und ungewaschen geisterte er wie ein Phantom durch die Straßen der verwaisten Metropole. Als "einsamer Robinson", wie Szpilman sagt, musste er ausharren und hoffte auf das Ende des Krieges. Dabei gab es Momente, in denen er an Selbstmord dachte, so verzweifelt erschien ihm seine Lage. Bei seiner abendlichen Nahrungssuche in den Ruinen überraschte ihn im November 1944 ein Wehrmachtsoffizier. Szpilman glaubte, dass er nun endgültig zum Tode verurteilt war, doch der Offizier lieferte ihn nicht aus. Vielmehr half er ihm, ein sicheres Versteck auf dem Dachboden des Hauses zu finden und versorgte ihn mit Nahrung. Erst nach dem Krieg erfuhr Szpilman den Namen dieses Offiziers. Wilm Hosenfeld gehörte zu den wenigen, die nicht bereit waren, die Politik Hitlers bedingungslos zu unterstützen. Er starb1952 in einem Internierungslager in Stalingrad. "Ihm verdanke ich mein Leben", sagt Wladyslaw Szpilman. Das hat dazu beigetragen, dass er die Deutschen nicht generell ablehnt. Außerdem hat er während seiner Studienzeit - vor der Machtergreifung Hitlers - zwei Jahre in Berlin gelebt. "Ich liebe ihre Musik und Kultur." Und so war er auch bei der Matinee in Berlin anwesend und erzählt auf Deutsch von seiner Zeit in Berlin. Und von Chopins "Nocturne cisMoll": Nach dem Kriegsende war es das erste Stück, dass Wladyslaw Szpilman im Rundfunk live spielte.
Menschen wie Wladyslaw Szpilman sind Zeugen des Nationalsozialismus und Holocaust, die als Verfolgte überlebt haben. Ihre Berichte geben eine Ahnung davon, wie dieses Phänomen, dass die Nachgeborenen nur aus den Geschichtsbüchem kennen, im Alltag der Jahre zwischen 1933 und 1945 aussah. Den biographischen Bericht "Der Pianist - Das wunderbare Überleben" hatte er unter dem unmittelbaren Eindruck - oder besser Schock - des Erlebten bereits 1945 geschrieben.
Ein schonungsloser und überraschend nüchterner Realismus kennzeichnet die Sprache, die auch ironische Passagen hat. Erst 1998 ist das Buch auf Deutsch veröffentlicht worden, übersetzt von Karin Wolff und mit einem Essay von Wolf Biermann.

REGINA KÖTHE
18.4.2000 Franfurt, MOZ,


Krzysztof Penderecki dirigiert Szpilman

Samstag, den 12.08.2006 in Berlin um 20 Uhr im Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt

Junges Klangforum Mitte Europa (International)
Krzysztof Penderecki Leitung
Tomasz Tomaszewski Violine

Wladyslaw Szpilman – Kleine Ouvertüre für Orchester (1968)
Krzysztof Penderecki – Violinkonzert (1976)
Ludwig van Beethoven – Symphonie Nr. 4 B-Dur op. 60

Weitere Konzerttermine mit Werken von Wladyslaw Szpilman

KULTUR in KREFELD


Flucht in die Welt der Musik

Zwingende Empfindsamkeit und extreme Kontraste: Beim 3. Sinfoniekonzert begeisterte die Pianistin Ewa Kupiec.

...Eine klangschöne und stimmige Einleitung für den ersten Mittelpunkt des Abends: Chopins Klavierkonzert f-Moll, gespielt von der polnischen Pianistin Ewa Kupiec, deren Virtuosität und Individualität Lutoslawski als "eine wahre Offenbarung" lobt.
Kupiec deklamierte das Klavierkonzert bis ins letzte Detail, ließ Passagen rieseln, ohne dass sie wie seichtes Säuseln wirkten, modellierte mit zwingender Empfindsamkeit, artikulierte deutlich und faszinierte durch die Gestaltung der Bögen und ihre ganz eigene Auffassung von Dynamik und Agogik.
Die Niederrheinischen Sinfoniker mit Graham Jackson am Pult gingen bedingungslos auf Kupiecs Interpretation ein und unterstrichen mit klaren Linien deren so gar nicht verzärtelnde und aufregend ungesäuselte Darstellung.
Der Beifall war anerkennend und lang anhaltend, aber nicht wirklich enthusiastisch, und Bravorufe gab es erst nach dem zweiten Höhepunkt des Konzerts: Wladyslaw Szpilmans im Ghetto entstandenes Concertino für Klavier und Orchester.

Ein extrem spannender Kontrast zwischen Chopins nie vergehender Sehnsucht nach dem Heimatland, das er doch auf eigenen Wunsch verlassen hatte, und Szpilmans Flucht in die Welt der Musik als Rettung vor der Düsternis.
Zwischen allen Stilrichtungen, die das Concertino anklingen lässt, gelang Ewa Kupiec eine klangliche Verbindung zu Chopins Klavierkonzert, und ihre packende Gegenüberstellung von sehnsüchtiger Melancholie hier und funkelnder Vitalität da berührte das Publikum im voll besetzten Saal zutiefst.
Der stürmische Applaus und die Bravi wären ein schöner Abschluss gewesen, zumal die Verbindung zum Finale mit Kurt Weills Sinfonie Nr. 2 inhaltlich nicht gegeben war. So selten das Werk auch gespielt werden mag, in einem anderen Programm wäre es sicher besser aufgehoben gewesen.
"Erinnern" wird man sich jedenfalls an Chopin-Szpilman und an Ewa Kupiecs einzigartige Gabe, die beiden so kontroversen Werke auf wundersame Weise zu verbinden.

Westdeutsche Zeitung 19.10.06
Von Petra Riederer-Sitte
Kultur in Krefeld


SONY Classical

Premiere

am 30.9.2005

bei amazon.de

in der Schweiz dvdshop.ch

Auf 3 CD´s:

Solo recordings: Chopin, Alfred Grünfeld, Debussy, Ignaz Friedman, Szpilman, Prokofjew 7th Sonata, Bacewicz, Sonata Nr. 2 (1st publication of the world premiere in 1953)

-

-

-

Works for Violin and Piano with Bronislaw Gimpel: Beethoven "Spring", Grieg op.45, Rathaus "Pastorale and Dance" (1st publication of the world premiere recording in 1963) and small works by Schubert, Dvorak, Wieniawski, Bloch, Prokofiew

-

-

-

Die 2. Sonate für Klavier von Grazyna Bacewicz. "Dem geehrtsten Wladyslaw Szpilman, dem hervorragenden ersten Interpreten der Sonata zum Ausdruck der wahren Freundschaft - Grazyna Bacewicz Warschau 25.10.1955"

The Warsaw Piano Quintet: Piano quintets by Robert Schumann and Juliusz Zarebski (1st publication of the world premiere recording 1963)

...Nicht nur die Vielseitigkeit des Pianisten, die von Unterhaltungsmusik bis zu zeitgenössischer Musik reicht, ist hier zu entdecken, sondern auch ein Einblick in das polnische Musikleben der Zeit, von dem so gut wie nichts durch den Eisernen Vorhang in den Westen dringen konnte... ...Den Klavierspieler hinter der Filmfigur zu entdecken, ist eine Bereicherung für jeden Musikliebhaber... RONDO

“...man erhält einen wunderbaren Eindruck, welch hervorragender und ein wie vielseitiger Pianist Szpilman gewesen ist...”
FONOFORUM 2/2006


Mein Kommentar zur CD

von Andrzej Szpilman

Es war schon immer mein größtes Anliegen, das Schaffen meines Vaters Wladyslaw Szpilman einem breitem Publikum außerhalb von Polen vorstellen zu dürfen. Aus vielen Gründen schien es lange unmöglich zu sein, mit seinem Werk in den Westen durchzudringen. Auch wenn er mehr als zweitausend mal im Westen konzertierte, wurde das kaum von der dortigen Schallplattenindustrie dokumentiert. Für das damalige polnische Regime war er dagegen lediglich als Komponist von Unterhaltungsmusik von Bedeutung . Und diese wurde verbreitet, ohne den Urheber immer benennen zu müssen. Als Komponist der ernsten Musik wurde er nicht gefördert. Dafür eigneten sich solche besser, die das kommunistische Land nach außen gut vertreten konnten, mit rein polnischen Namen. Die konnte man als Produkt der neuen Ordnung präsentieren, mit einem entsprechenden nationalen Stolz und staatlich unterstützter Promotion.

So kam seine in den 1930er Jahren begonnene rege kompositorische Tätigkeit auf diesem Gebiet nach dem Krieg zum Stillstand. Mein Vater widmete sich dann nur noch einmal dem Komponieren ernster Musik. Als Polen im März 1968 von einer Welle des Antisemitismus erschüttert wurde, komponierte er seine Kleine Ouvertüre, eine Ballettmusik, rekonstruierte den Walzer im alten Stil, instrumentierte mehrere Chansons für großes Orchester - zusammen etwa 60 Minuten Musik. Heute weiß ich, dass er auf diese Weise seine Depression bewältigen konnte, ähnlich wie er 1940 an seinem Concertino für Klavier und Orchester arbeitete, um nicht an die Errichtung des Warschauer Gettos denken zu müssen. Keines der Werke wurde je bei ihm vom Kulturministerium bestellt, wie es ansonsten im Falle anderer vom Staat gerne gesehener Komponisten gepflegt wurde. So wie ich mich an seine kompositorische Arbeit im Jahr 1968 erinnere, an die auf dem Tisch ausgebreiteten Partituren, weiß ich, dass er das Komponieren liebte. Er tat es aus einem inneren Bedürfnis heraus und weniger zur Begeisterung der Musikkritiker, die bei seinem Werk vergebens nach Spuren der Avantgarde suchen dürften. Doch stand er damals dem viel zu nahe, was seine amerikanischen Zeitgenossen schrieben, um sich in das sozialrealistische Kulturgut des damaligen Polen integrieren zu lassen.

Wie gesagt; mit dem Namen Szpilman wurde man nicht als Exportschlager angesehen. Polnische Unterhaltungsmusik war durch das rechtliche System der polnischen Verwertungsgesellschaft ZAiKS an die polnischen Texte zu Gunsten linientreuer Textdichter gebunden, und erst nach dem Tod meines Vaters wurde es durch eine Überführung seiner Urheberrechte in die deutsche Verwertungsgesellschaft GEMA möglich, seine Songs mit englischen Texten in den USA aufzunehmen. Namhafte amerikanische Songtexter wurden von mir gebeten, an dem Projekt mitzuwirken, und so entstand mit Unterstützung einiger herausragender Musiker in Los Angeles eine CD mit zwölf von Wendy Lands gesungenen Chansons meines Vaters. Mit allergrößter Warscheinlichkeit kam es dadurch übrigens zur ersten Präsentation von Songs eines in Polen schaffenden Komponisten in den USA.

Vor allem eines aber konnte die polnische staatliche Macht nicht zerstören: Seit dem Jahr 1934 verband ihn eine enge Freundschaft mit Bronislaw Gimpel, dem großen amerikanischen Geiger polnischer Abstammung. In diesem Jahr kam Gimpel, bereits ein berühmter Virtuose, zu einer Konzertreihe nach Polen (kurz zuvor war er vom italienischen König Vittorio Emanuele III. mit einem Orden dekoriert worden, trat vor Papst Pius XI. auf und spielte auf einer von Paganinis Geigen an dessen Grab in Genua). Unzufrieden mit dem ihm gestellten Pianisten, forderte er seinen Impresario auf, einen neuen Pianisten für ihn zu suchen. So kam es zu einem Probespiel, was zu einer über vierzig Jahre andauernden Zusammenarbeit beider Künstler führte. Natürlich verstanden sich beide phantastisch, nicht nur als Künstler. Es verband sie eine gewisse Brüderlichkeit. Ich habe den Eindruck, dass Bronislaw Gimpel eine Brücke für meinen Vater bildete zwischen der noch intakten Vorkriegszeit und der Zeit nach dem Krieg, nach dem Verlust der Familie, wo nur die Musik noch dieselbe geblieben war.

Konzerte mit Szpilman zu planen, war für Gimpel immer mit einem Risiko verbunden. Man wusste nicht, ob mein Vater zu den Konzerten in den Westen ausreisen durfte, denn manchmal machte ihm der Staat Passschwierigkeiten. Einmal, 1947, kam mein Vater nach Rom zu einer Italientournee erst am Tag des ersten Konzertes. Sie spielten dann ohne Probe, aber das Repertoire hatten sie bereits vor dem Krieg geprobt. Und umgekehrt: Gimpel durfte lange Zeit, zwischen 1968 und 1976, nicht nach Polen einreisen. Aus für alle unklaren Gründen wurde er in Polen zur „persona non grata“ erklärt. Ähnlich ging es damals vielen Künstlern jüdischer Abstammung, sogar dem ebenfalls mit meinem Vater befreundeten Arthur Rubinstein. In dieser Zeit, wie auch zwischen 1948 und 1956, der Zeit der schlimmsten stalinistischen Diktatur in Polen, war der Kontakt meines Vaters zu Bronislaw Gimpel eingeschränkt. Trotzdem konnten sie später noch viele gemeinsame Tourneen unternehmen, nach Polen, Italien, Frankreich, Deutschland und Südamerika. Mit wenigen Ausnahmen hielt Gimpel sein Wort, das er Szpilman bei ihrem ersten Treffen gegeben hatte: „ab jetzt spiele ich nur mit Ihnen“.

Als mein Vater sich mit der Gründung des Internationalen Songfestivals in Sopot 1961 als guter Organisator erwies, wurde er von Szymon Zakrzewski von der Künstleragentur PAGART mit der Bildung eines Kammerensembles beauftragt. Natürlich bat er sofort Gimpel um seine Mitwirkung, und so suchten die beiden Herren unter den, zu dieser Zeit verfügbaren besten Musikern Polens, drei weitere aus und gründeten das Warschauer Klavierquintett, mit dem sie im Januar 1963 in der Londoner Wigmore Hall mit großem Erfolg ihre erste Welttournee eröffneten und dann bis 1967 mehrere hundert Konzerte in allen Kontinenten in dieser Formation absolvierten. Dann erhielt Gimpel einen Ruf als Professor in Connecticut, trennte sich aus Zeitgründen vom Warschauer Klavierquintett und überließ die alleinige Leitung meinem Vater. Das Warschauer Klavierquintett spielte bis zu seiner Auflösung im Jahre 1986 an die 2000 weitere Konzerte weltweit. Das einzigartige an diesem Ensemble war seine feste Zusammenstellung. Üblicherweise nahm und nimmt ein Streichquartett einen Pianisten zu gelegentlichen Quintett-Aufführungen hinzu. Hier resultierte die langjährige, ständige Zusammenarbeit in einem Zusammenwachsen, in einer Verschmelzung der Temperamente. Durch den Verzicht auf die Exponierung der eigenen künstlerischen Persönlichkeiten dienten alle Musiker dem Werk und fanden damit die höchste Anerkennung des Publikums und der Kritik auf der ganzen Welt.

Mein Vater befand sich im Quintett zugegebenermaßen in seinem Element. Nach seinen traumatischen Kriegserlebnissen, die der Weltöffentlichkeit durch die Veröffentlichung seines Tagebuches „Der Pianist“ und spätestens nach dessen Oscar-preisgekrönter Verfilmung durch Roman Polanski bekannt wurden, sah er sich nicht mehr in der Lage, seine pianistische Solokarriere intensiv voran zu treiben. Obwohl er durch sein Studium in den 1930er Jahren bei Aleksander Michalowski, Josef Smidowicz, Leonid Kreutzer und Arthur Schnabel bestens darauf vorbereitet war, unternahm er nach 1950 nur wenige Tourneen, auf denen er als Solist Rachmaninows Rhapsodie über ein Thema von Paganini op. 35 und Brahms 1. Klavierkonzert d-Moll op. 15 spielte. Nach der Lockerung des „eisernen Vorhangs“ 1956, durfte er wieder mit Gimpel ins Ausland reisen und verzichtete auf Soloauftritte, die ihn nervlich zu sehr belasteten. Mehrmals betonte er später, dass ihn die Präsenz weiterer Musiker auf der Bühne stärkte. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass er die Einsamkeit eines Solisten nach dem Konzert nicht ertragen konnte. Nach Jahren der Einsamkeit in den Ruinen des durch den Krieg zerstörten Warschaus wollte er nicht alleine durch die Welt reisen.

Als eine dauerhafte Lieblingsbeschäftigung empfand er daher seine Arbeit beim Polnischen Rundfunk. Anfang April 1935 begann er dort seine Tätigkeit als Hauspianist. Er begleitete Solisten, spielte mit dem Orchester ernste und Unterhaltungsmusik, spielte Jazz, klassische Recitals und erfüllte eine damals besondere Aufgabe: er führte musikalisch live durch die Sendung. Während die geladenen Gäste vor dem Mikrophon wechselten, sorgte er für die musikalische Überleitung durch Improvisation von einem in das andere Stück, von einer in die andere Tonart, solange bis der Wechsel vollzogen war, was manchmal Minuten dauerte. Mit dem Rundfunk-Orchester und Grzegorz Fitelberg, dem langjährigen Weggefährten Szymanowskis und damals bedeutendsten Dirigenten Polens, reiste er 1937 zu Pariser Weltausstellung, um dort Szymanowskis Symphonie concertante zu spielen. Sein Chopin-Recital am 23. September 1939 hat als letzte Livesendung des Polnischen Rundfunks vor der Abschaltung und Zerstörung des Senders historische Bedeutung erlangt. Die folgenden Jahre brachten ihm Zerstörung von allem, was ein Mensch und Künstler besitzen kann.

Nach zwei Jahren Internierung im Warschauer Getto, täglich bedroht und ums Überleben kämpfend, nach dramatischen Ereignissen auf dem Umschlagplatz des Warschauer Gettos, wurde seine ganze Familie 1942 nach Treblinka abtransportiert und ermordet. Nicht einmal Fotos oder Persönliches blieb zurück. Die Familie sollte samt ihrer Wurzeln und ihrer Geschichte ausgerottet werden. Er selbst überlebte wie durch ein Wunder. Er war bereits vor dem Krieg durch seine Auftritte im Rundfunk wie auch durch seine Chansons aus den Kinofilmmusiken sehr berühmt geworden. Das half ihm, als Pianist im Getto für die Familie zu sorgen. Auch am Umschlagplatz wurde er erkannt und von einem ihm unbekannten jüdischen Polizisten dem Todestransport entrissen. Später durfte er mit einer jüdischen Arbeitsgruppe außerhalb des Gettos das Haus des deutschen Kommendanten in Warschau, Kutschera, renovieren, von wo aus er fliehen konnte. Versteck fand er bei Freunden vom Polnischen Rundfunk. Etwa 30 Polen haben ihm danach Hilfe geleistet, um die 600 waren in seine Unterstützung involviert, darunter Witold Lutoslawski und die Geigerin Eugenia Uminska, die Konzerte gaben, um Geld für seine Rettung zu sammeln. All diese Menschen verband eines: die Musik.

Auch gegen Ende des Krieges rettete ihn seine Kunst. Über Monate hinweg alleine in den Ruinen des zerstörten Warschaus, schöpfte er seine Kraft aus der Musik, indem er alle ihm bekannten Stücke im Kopf repetierte. Ich stand meinem Vater sehr nah, aber nie konnte ich es mir erklären, woher dieser zarte Mensch die übermenschliche Kraft nahm, all dies Schreckliche zu überstehen. Musik scheint mir die einzig mögliche Antwort zu sein. Im November 1944, bei Temperaturen von weit unter minus zwanzig Grad, stand mein Vater kurz vom Hungertod, als ihn ein deutscher Offizier in seinem Versteck entdeckte. Auch er befand sich offensichtlich in einer verzweifelten Lage und sehnte sich nach etwas Musik in der Ödnis der zerstörten Stadt. Er bat meinen Vater, für ihn Klavier zu spielen. Die Chancen, einem deutschen Humanisten in dieser Zeit und unter diesen Umständen in Warschau zu begegnen, waren gleich Null. Und doch, was die beiden verband, war die Liebe zu Musik. Hosenfeld versorgte meinen Vater mehrmals mit Proviant und half ihm, ein besseres Versteck zu finden. Erst 1950 gelang es meinem Vater, den Namen des Offiziers zu erfahren. Die sofort unternommenen Versuche, Hauptmann Wilm Hosenfeld zu retten, blieben jedoch erfolglos. In dieser Zeit wollte man keinen Westdeutschen aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassen. Wilm Hosenfeld starb 1952 in Stalingrad.

Unmittelbar nach der Befreiung Warschaus in Januar 1945 nahm mein Vater seine Tätigkeit im Rundfunk wieder auf. Dort fühlte er sich sofort wieder zu Hause. Nachts schlief er unter dem Flügel, tagsüber schrieb er Arrangements für die zusammen gesammelten Musiker, organisierte die Sendungen, komponierte Chansons, spielte Konzerte als Solist und Begleiter. Schnell erlangte er seine Fingerfertigkeit wieder. Die hier vorliegenden ersten Archivaufnahmen stammen aus der Zeit seiner ersten Tournee nach Skandinavien vom Schwedischen Rundfunk in Stockholm aus dem Jahr 1946. Ich muss mir oft die Frage stellen, wie er wohl ohne die fünfjährige Unterbrechung gespielt hätte.

1947 reiste er mit Bronislaw Gimpel nach Frankreich und Südamerika. Dort erhielt er von Verwandten einige Familienphotos zurück, die vor dem Krieg von der Familie dorthin geschickt worden waren. Die einzigen die es noch gab. Eine besondere Rolle spielte Gimpel auch in der Geschichte der Klaviersuite „Das Leben der Maschinen“. Ähnlich wie die Fotos der Eltern und Geschwister, wurde sie wie durch ein Wunder gleichsam aus dem Jenseits zurückgeholt. Komponiert während der Studienzeit 1932 bei Franz Schreker in Berlin, hatte mein Vater wenig später eine Abschrift an den Pianisten Jakob Gimpel über dessen Bruder Bronislaw in die USA geschickt. Das Originalmanuskript wurde zusammen mit seinem Violinkonzert und allen anderen Werken aus der Vorkriegszeit bei dem Brand eines Hauses, in dem er sich 1944 versteckt hielt, vernichtet. Nach dem Krieg konnte mein Vater nur noch den letzten Satz, die Toccatina, rekonstruieren. Die vollständige Suite wurde erst im Jahre 2001 in Los Angeles wiedergefunden (von Peter Gimpel, dem Sohn von Jakob) und ist inzwischen veröffentlicht worden.

Bis 1963 war er als stellvertretender Musikdirektor des Polnischen Rundfunks tätig. In dieser Zeit und später bis 1970 komponierte er um die 500 Songs. 50 davon erfreuten sich einer enormen Popularität. Manchen wurde Amerikanismus vorgeworfen und sie wurden deshalb nie aufgenommen. Besonders gerne komponierte er für Kinder. Es entstanden 30 Kinderlieder sowie auch ca. 20 Hörspiele. Mein Vater verstarb am 6. Juli 2000. Er durfte die Veröffentlichung und Verbreitung seines Buches miterleben. Gleich nach Erscheinen 1999 wurde es zum Bestseller in England und den USA. Daran hatte er nie geglaubt, denn er meinte, dass sich niemand für seine und die Geschichte seiner Familie interessieren würde - ein Versuch seines Freundes Arthur Rubinstein in den siebziger Jahren, das Buch bei einem Verlag anzubieten, hatte mit einer Absage wegen fehlender Aussichten auf den Erfolg einer solchen Publikation geendet.

Zur Zeit der Veröffentlichung konnte ich zum ersten mal ernsthaft mit meinem Vater über seine Kriegserlebnisse sprechen. Ich sprach mit ihm auch über meine Pläne, sein Schaffen publik zu machen. Es war mir eine große Freude, auch seine erste Solo-CD zu produzieren. Wir haben damals lange zusammen über die Auswahl der Aufnahmen diskutiert. Im Jahr 2001 kam es zu Verbindung mit SONY Classical wie auch zu Boosey & Hawkes, einem der bedeutendsten internationalen Musikverlage, welcher die Kompositionen meines Vaters herausgab und dank dessen Bemühungen sie mittlerweile in der ganzen Welt gespielt werden. SONY Classical brachte bisher die überaus erfolgreiche Solo-CD mit Originalaufnahmen meines Vaters heraus wie auch eine Studioproduktion seiner Klavier- und Orchesterkompositionen mit dem Rundfunk Sinfonie-Orchester Berlin und Ewa Kupiec unter der Leitung von John Axelrod (SONY Classical SK93516) - ein wichtiges Dokument der kompositorischen Tätigkeit meinesVaters.

Vorliegende Edition erlaubt erstmals einen wirklich umfangreichen Einblick in die vielen Facetten des pianistischen Schaffens Wladyslaw Szpilmans, etwas, was zu seinen Lebzeiten auch in Polen nicht möglich gewesen war und wofür ich SONY Classical außerordentlich dankbar bin. Zum größten Teil handelt es sich um Erstveröffentlichungen. Die zugrunde liegenden Archivaufnahmen wurden von mir digitalisiert, entrauscht und neu gemastert.

Bei Grazynas Bacewicz' Klaviersonate verwendeten wir den Livemitschnitt einer Sendung des Polnischen Rundfunks der Uraufführung aus dem Jahr 1953. Prokofiews Klaviersonate wurde als polnische Erstaufführung bereits 1947 vom Warschauer Sender ausgestrahlt, aber erst ab 1948 gab es dort die Möglichkeit auf Band aufzunehmen, weshalb wir den späteren Mitschnitt einer Sendung aus dem Jahr 1953 dokumentieren. Die hier vorliegenden Aufnahmen von Werken Frédéric Chopins - die Polonaise-Fantaisie op. 61, die Ballade f-Moll op. 52 und das Nocturne cis-Moll op. posth. vermitteln den Eindruck der letzten Live-Übertragung vor der Zerstörung des Funkhauses in Warschau in September 1939. Vielen wird es wie ein Wunder vorgekommen sein, dass mein Vater mit demselben Programm den Sendebetrieb des neu aufgebauten Funkhauses 1946 wieder eröffnete!

Meines Vaters eigene Mazurka, eine Reminiszenz eher als eine Kopie Chopins, wurde 1946 im Stockholmer Rundfunk aufgenommen. Er komponierte sie 1942 im Getto im Rahmen eines revueartigen Stückes mit dem Titel „Casanova“, zu dem der später ermordete Dichter Wladyslaw Szlengel den Text verfaßt hatte, das im Café Sztuka im Getto von den verzweifelten Menschen gerne gehört wurde. Das Stück erzählte von einer Weltreise und lieferte dem Publikum wenigstens eine Illusion des für sie Unmöglichen. Mit der Mazurka umging mein Vater das strenge Verbot - das ansonsten übrigens häufig von ihm gebrochen wurde - welches den Juden das Spielen von Chopin untersagte.

Neben seiner Tätigkeit als Pianist des klassischen bis modernen Repertoires war Wladyslaw Szpilman - für die damalige Zeit eher ungewöhnlich - ein leidenschaftlicher Jazzpianist. So kam er 1947 auf die Idee, wöchentlich eine Viertelstunde Jazz im Polnischen Rundfunk zu spielen. Auf diese Sendung wurde ich in letzter Zeit mehrmals von einigen heute berühmten polnischen Jazzmusikern angesprochen. Die erinnern sich noch sehr gut, wie sie diese Sendung damals aufmerksam verfolgten, weil sie für sie den einzigen Zugang zu modernen Harmonien bedeutete. Natürlich durfte das offiziell nicht Jazz heißen, sondern Tanzmusik. Jazz wurde in dieser Zeit, wie alles Amerikanische in Polen, verboten. So schmuggelte mein Vater einige verbotene Stücke durch, was ihn zum Ziel der Attacken der Medien machte und zur Absetzung der Sendung führte. Der Mitschnitt drei solcher Sendungen wurde dann gelöscht, eine Kopie davon aber heimlich von einem der Tontechniker gemacht, zu Hause aufbewahrt und vor ein paar Jahren ins Rundfunkarchiv zurücküberführt. Vier kurze Ausschnitte legen wir davon als Bonustrack bei.

Eine ganz besondere Freude bereitet es mir, dass wir einige der vielen Duo-Aufnahmen meines Vaters mit dem Geiger Bronislaw Gimpel vorstellen können. Neben berühmten Stücken wie der „Frühlingssonate“ von Beethoven und Griegs Violinsonate haben wir uns entschlossen, auch weniger bekanntes zu dokumentieren wie Karol Rathaus' Pastorale und Tanz von 1937. Allem Anschein nach handelt es sich sogar um die Weltersteinspielung. Rathaus hatte in den späten 1910er Jahren bei Schreker in Wien studiert und gehörte zu den herausragenden und erfolgreichsten polnischen Komponisten seiner Generation, bis er vor den Nationalsozialisten ins Exil nach Amerika floh. Einige weitere kürzere Stücke demonstrieren die enorme stilistische Bandbreite der beiden Künstler, vor allem aber die geradezu symbiotische Verschmelzung der beiden Persönlichkeiten, denen das Seltene gelang nicht nur mit einem Atem, sondern geradezu mit einer Seele zu spielen.

Ähnlich verhält es sich mit den vorliegenden Aufnahmen des Warschauer Klavierquintetts. Das wunderbare Quintett Schumans wird durch ein zu Unrecht im Westen wenig bekanntes Quintett Juliusz Zarebskis (einem Meisterschüler Franz Liszts) ergänzt, das mein Vater besonders gerne immer wieder neben dem 2. Klavierquintett von Grazyna Bacewicz in die Konzertprogramme aufnahm, das diese speziell für das Warschauer Klavierquintett komponiert hatte.

Ein großer Kinofilm löst oft ein verstärktes Interesse des Publikums an Informationen über die dargestellten Protagonisten aus, denn dem Medium Film wird vieles aus genreimmanenten Gründen geopfert. Was das Leben und Schaffen von Wladyslaw Szpilman jenseits des in Polanskis Film Erzählten anbelangt, trägt vorliegende Anthologie Wesentliches dazu bei, den wahren Musiker und Künstler Szpilman kennenzulernen und besser zu verstehen. Mein Vater war ein Mensch, der für die Musik lebte und der durch die Musik überleben konnte. Seine Kunst wäre Ihnen vielleicht schon längst bekannt, wenn die Geschichte einen anderen Verlauf genommen hätte.

Andrzej Szpilman, August 2005

Bei Michael Brüggemann, Alexander Boesch und Christian Rauch von Sony Classical und Frank Harders von Boosey & Hawkes bedanke ich mich besonders herzlich für die persönliche Hilfe bei der Vorbereitung und Produktion dieser CD´s.


Le Monde de la Musique.

Telerama, No 110, Avril 1988

Wladyslaw Szpilman Der Überlebende

Mit Hilfe der Musik hat Wladyslaw Szpilman das Grauen des Warschauer Ghettos, von dem er einer der letzten Geretteten ist, vertrieben. Er hält die Schönheit einer Zeit aufrecht, in der die Welt noch nicht durch die übelste Barbarei beschmutzt worden war.

Szpilman ist eine der legendären Gestalten der polnischen Musik, nicht nur als Gründer des hervorragenden "Warschauer Quintetts" zusammen mit seinem Freund, dem Geiger Bronislaw Gimpel, sondern weil die tragischen Ereignisse während der letzten Kriegsmonate in einer zerstörten und gänzlich verlassenen Stadt-Warschau und seine Eigenschaft als Überlebender ihn zu einem der letzten Zeugen einer verschwundenen Kultur machen.

"Ich bin 1911 in Sosnowiec in einer Musikerfamilie geboren. Mein Vater war ein guter Geiger, meine Mutter eine sehr mittelmäßige Pianistin. In dieser Stadt, die damals 80.000 Einwohner zählte, gab es kein Orchester, überhaupt keine Musik. Nur ein Schauspielhaus. Meine Eltern waren nicht reich genug um ein Radio zu kaufen; so begnügte ich mich damit, die Partituren von Tschaikowski, Scriabin, Beethoven und Brahms zu lesen, die im Haus herumlagen. Leider gab es nichts von Debussy oder Ravel. Mein Vater spielte im Orchester in Katowice, 8 km von Sosnowiec entfernt. In dieser Zeit war Szymanowski der bedeutendste moderne polnische Komponist.

"Ich wollte Musiker werden, aber mein Vater, der ein schwieriges Leben bewältigt hatte, war dagegen. Natürlich ging die Sache zu meinen Gunsten aus. Ich ging nach Warschau und trat in das Chopin Konservatorium ein, wo ich Klavier bei Josef Smidowicz und Fuge, Harmonie und Kontrapunkt bei dem Pianisten Aleksander Michalowski studierte, der in meinen Augen noch bedeutender war als Paderewski. Er war damals 72 Jahre alt und fast blind.

- Haben Sie schon in jener Zeit begonnen zu komponieren?

- Ich schrieb schon im Alter von 12 Jahren Ouvertüren für Klavier und hatte sie dem Direktor der Katowicer Oper gezeigt, der mir sagte, da. ich Talent habe, was aber nicht wirklich eine Ermutigung war. Wie dem auch sei, nach 5 Jahren Studien in Warschau ging ich 1931 an die Musikakademie in Berlin, wo ich mit Schreker und Arthur Schnabel gearbeitet habe. Zu jener Zeit komponierte ich ein Klavierkonzert, eine Suite für Klavier, "Leben der Maschinen" und ein Violinkonzert, das von Konrad Vinaver, einem Schüler von Carl Flesch, und von Roman Totenberg, der dann in die Vereinigten Staaten ging, wo er Direktor des Konservatoriums von Boston wurde, gespielt wurde.

"Im Jahre 1932 fuhr ich während der Ferien nach Polen, um meine Eltern zu besuchen, kehrte aber wegen der schon damals sehr gespannten Atmosphäre nicht nach Berlin zurück. Ich hatte mich nicht getäuscht, denn im Januar 1933 kam Hitler an die Macht.

"Ich muß. jedoch sagen, da. Berlin, was die Musik betrifft, eine wunderbare Stadt war. Es war die Zeit, wo Furtwängler die Philharmonie dirigierte und Arthur Schnabel und Carl Flesch an der Akademie lehrten. Ich habe Paul Hindemith und Emanuel Feuermann, damals einer der größten Cellisten der Welt, dort getroffen.

- Sie haben, als sie Student in Warschau waren, Mitstudenten gehabt, die berühmt wurden.

- Das stimmt. Das erste Mal, als ich Ida Haendel sah, war sie 11 Jahre alt und spielte schon großartig Geige. Ich selbst war 17 Jahre, ich sollte ein Sonatenkonzert mit ihr geben, und ich erlaubte mir, als wir zu proben anfingen, ihr einige Ratschläge zu geben. Stellen Sie sich vor, da. sie mir eine Abfuhr erteilte mit den Worten: "Kümmern Sie sich nur um Ihr Klavier, denn ich weis. sehr gut, was ich mit meiner Geige tun muß.!" Was Henryk Szeryng angeht, so erinnere ich mich, da. sein Vater das erste Kino von Warschau eröffnet hat. Er hatte beschlossen, sein Wunderkind in Warschau debütieren zu lassen, mit Bruno Walter. Es gelang ihm auch, denn er war ein sehr reicher Mann. Bevor Henryk mit seiner Mutter nach Paris ging, um dort zu studieren, haben er und ich einige Konzerte zusammen gegeben.

- Was geschah, als Sie nach Warschau zurückkamen?

- Ich habe bei Radio Warschau angefangen, wo ich als Solist Konzerte mit dem Orchester gab. Ich habe das Konzert von Brahms gespielt unter der Leitung von Fitelberg, und 1939 lernte ich Witold Lutoslawski kennen, der gerade das Konservatorium verlassen hatte und der in meinem Leben eine so wichtige Rolle spielen sollte. Ich erinnere mich, da. mein Chopin-Konzert das letzte war, was im Radio gespielt wurde, denn am 23. September haben die Deutschen die Stadt eingekesselt. An jenem Abend spielte ich die Ballade f-moll und die Barkarole, als plötzlich das Licht im Studio ausging. Das war das Ende.

- Können Sie sagen, was folgte?

- Es war die Kapitulation, die Tragödie. Ich habe nach dem Krieg ein Buch geschrieben, in dem ich dies alles erzähle; "Tod einer Stadt", von dem 6 Kapitel in Deutsch übersetzt und veröffentlicht sind. Meine Eltern, meine Schwester und mein Bruder sind in den Konzentrationslagern umgekommen.

"Alles begann mit einer psychologischen Kriegführung: an einem Tag erfuhren wir, da. wir den gelben Stern tragen mußten, am Nächsten (Tag), da. kein Jude mehr als 2000 Zloty besitzen durfte, kurz darauf, da. es jeder jüdischen Familie verboten war, mehr als ein Zimmer zu bewohnen. Die Nazis erließen Dutzende von Gesetzen, die man unmöglich einhalten konnte, und jede Übertretung wurde mit dem Tode bestraft. Wie alle Juden mußte ich ins Ghetto umziehen, wo die Deutschen uns einen totalen Krieg lieferten. Trotzdem war die ersten Zeit nicht zu hart und das Grauen begann erst wirklich, als die ersten Auswanderungen organisiert wurden. Man trennte die kleinen Kinder von ihrer Mutter, die nach Treblinka geschickt wurde. Die Menschen wußten nicht, da. sie sterben sollten, sie glaubten, da. sie zur Arbeit weggeschickt wurden, und ich glaubte es auch.

- Wovon lebten Sie?

- Ich trat als Solist in den Cafés des Ghettos auf. Wußten Sie, da. es viele gute Musiker und ein Kammerorchester im Ghetto gab? Ich gründete ein Duo Klavier-Geige. Wir spielten jeden Abend vier Stücke leichte Musik, die ich zu diesen Zweck komponierte. Es ist merkwürdig, ein großer Teil der Lieder, die ich in dieser tragischen Situation geschrieben habe, um von Tag zu Tag mein überleben zu sichern, sind nach dem Krieg Erfolge geworden in Polen, den USA und sogar in Rußland. Sie sind übrigens auf den ersten Langspielplatten aufgenommen, und ich besitze eine ganze Sammlung davon.

"Ich besaß. kein eigenes Instrument mehr, denn meine Eltern, die keine Arbeit gefunden hatten, hatten alles verkaufen müssen, selbst unser sehr Schönes Klavier, und ich verdiente für sie den Lebensunterhalt mit. Die Tragödie ereignete sich am 22 Juli 1942 mittags, als das Ghetto in zwei Teile geteilt wurde: das "kleine Ghetto" wurde mit dem "großen Ghetto" durch eine Brücke oberhalb des Arier-Stadt durch eine Brücke verbunden. Viele Familien wurden getrennt: wir durften die Brücke nicht .berschreiten. Als meine Eltern, mein Bruder und meine Schwester 1942 selektiert wurden, wollte ich mit ihnen gehen, aber die jüdischen Polizisten, die mich als Musiker kannten, hinderten mich gewaltsam daran.

"Das Ghetto war seit 1940 geschlossen, und plötzlich brach eine Typhusepidemie aus. Die Deutschen, die große Angst hatten, sich anzustecken, gaben uns eine kurze Atempause.

- War es möglich, aus dem Ghetto zu fliehen?

- Es war schwierig, aber möglich. Wie dem auch sei, ausbrechen genügte nicht, man mußte auch ein Versteck finden, was sehr gefährlich war. In der Tat drohte jedem Polen, der einen Juden aufnahm, und seiner gesamten Familie die Todesstrafe.

"Nach dem Abtransport meiner Eltern hatte ich keine Wohnmöglichkeit mehr, denn unser Zimmer war anderen zugewiesen worden. Ich war ebenfalls ohne Arbeit, was den Tod bedeutete, denn die lächerlich kleinen Lebensmittelrationen wurden nur an die verteilt, die eine Beschäftigung hatten. Ich ging zur jüdischen Verwaltung des Ghettos, und die Funktionäre rieten mir, für die SS zu spielen, die Musik liebte. Ich lehnte ab, und ich fand schließlich Arbeit in einem Kommando, das 8 Km außerhalb der Mauern (des Ghettos) ein Mietshaus baute. Ich wußte, da. wir liquidiert werden, wenn das Haus fertig wäre, und ich beschloß. zu fliehen. Ich mu. dazu sagen, da. selbst jene, die als Reiche ins Ghetto gekommen waren, schnell arm geworden waren, weil sie versuchten, das Leben ihrer Angehörigen zu erkaufen. Sie liefen jetzt abgerissen durch die Straßen, nur noch Haut und Knochen.

- Wo haben Sie Zuflucht gefunden?

- Ich habe polnische Freunde alarmiert, die mir eine leere Wohnung überließen, ohne Geld dafür zu verlangen. Dann gab Witold Lutoslawski mit einem Geiger ein Konzert und schenkte mir den Erlös. Nicht weniger als 20 Menschen, von denen einige mir ganz unbekannt waren, taten sich zusammen, um mir das Leben zu retten. Aber diese großzügigen Polen waren eine Ausnahme, denn die meisten boten Juden an, sie gegen Geld zu verstecken und verrieten sie, wenn sie kein Geld mehr hatten. Um objektiv zu sein, mu. ich aber daran erinnern, da. es hier eine geheime Gesellschaft namens "Jegota" gegeben hat, die etwa 20.000 Juden gerettet hat. Deshalb hätte Claude Lanzmann, meiner Meinung nach, in seinem Film "Shoa", von dem große Teile hier vom Fernsehen ausgestrahlt wurden, auch diese Minderheit von Polen zu Wort kommen lassen sollen, die ihr Leben riskiert haben, um uns zu helfen. Sicherlich waren die Bösen und grausamen Polen, die er zeigte, Legion. Die Polen Können in tragischen Situationen Kämpfen, aber passen sich schlecht Friedenszeiten an.

- Haben Sie sich bis zum Ende des Krieges am gleichen Ort versteckt?

- Nein, ich habe dauernd das Quartier gewechselt. Ich wohnte im Atelier eines Malers, dann stellte mir ein befreundeter Dirigent seine Junggesellenwohnung zur Verfügung. Ich richtete mich dort in einem Zimmer ein, das ich 4 Monate nicht verlassen habe. Im Juni bemerkte die Hausmeisterin plötzlich, da. der Mieter verreist war, da. aber jemand anderes dort lebte. Sie klopfte, und ich habe mich eine Zeit, die mir endlos lang erschien, nicht gerührt. Da dieser Ort zu gefährlich geworden war, beschloß. ich, ihn zu verlassen. Ich zog meinen zerrissenen Mantel an - ich hatte ihn nämlich benutzt, um Kartoffeln zu transportieren - und fand mich ohne Papiere, wie ein Geist, auf der Straße, an der frischen Luft wieder. Ich habe wohl zwei Stunden gebraucht, um die Wohnung eines befreundeten Ingenieurs vom Radio zu erreichen, die eigentlich nur zwei Minuten entfernt lag. Die Mutter meines Freundes, eine Frau von 70 Jahren, .öffnete mir. Sie wich entsetzt zurück: sie glaubte einen Toten zu sehen. Ich sagte ihr, sie solle keine Angst haben und ihren Sohn rufen. Sie ließ. mich herein und bat mich, die polnische und die amerikanische Nationalhymne zu spielen. Sie bot mir ein Glas Wodka an, dann hat mich ihr Sohn 10 Tage lang in einer leerstehenden Wohnung beherbergt. Ich habe nochmals das Versteck gewechselt, um schließlich in einem Zimmer zu landen, wo niemand meine Anwesenheit vermuten konnte, da die Tür von Außen abgeschlossen war. Man brachte mir von Zeit zu Zeit zu essen.

"Dann machten die Juden einen Aufstand mit einigen alten Gewehren, die sie mit großer Mühe von der polnischen Widerstandsbewegung, die sie verachtete, erhalten hatten. Sie kämpften 6 Wochen lang, bevor sie vernichtet wurden. Das Ghetto wurde dem Erdboden gleichgemacht. Dann erhob sich die christliche Stadt ihrerseits, aber der Aufstand wurde niedergeschlagen und die SS brannte, nachdem die überlebenden in die Konzentrationslager geschickt worden waren, alle noch vorhandenen Häuser nieder.

"Das war im August, von da an war alles still. Ich war allein in der zerstörten und menschenleeren Stadt, aber ich wußte es nicht. Eines Nachts hatte ich einen Traum, in dem ich meine Mutter und meine Schwester, schwarzgekleidet, eine Trauermusik spielen sah. Dieses Vorzeichen veranla.te mich, aufzubrechen. Ich dachte, wenn ich noch eine Stunde l.nger bliebe, w.rde mich die SS oder die Leute des Genaral Vlassov umbringen. Ich stieg auf das Dach des Hauses, wo sie, wie ich glaubte, nicht hink.men, denn sie suchten in den Kellern der verbrannten Geb.ude nach Gold. Das nahegelegene, von den Nazis besetzte Krankenhaus hatte 8 Etagen und "mein Haus" nur vier. Daher sahen mich die Soldaten, und da sie dumm waren, riefen sie "Halt!", was es mir erm.glichte, in die Ruinen eines kleinen verbrannten Hauses zu fl.chten, dann in ein anderes, das noch aufrecht stand. Ich wu.te jedoch nicht, da. die deutschen Kommandostellen sich dort eingerichtet hatten, denn dieses Geb.ude hatte die Besonderheit, zwei Ausg.nge zu besitzen, von denen der eine auf die Avenue ging, der andere auf ein G..chen. Es gelang mir, mich in den Speicher zu fl.chten, aber nach drei Tagen hatte ich nichts mehr zu trinken und zu essen. Ich stieg in das darunterliegende Stockwerk hinunter, um die Schr.nke zu durchsuchen. Pl.tzlich h.rte ich hinter meinem R.cken: "H.nde hoch!" Es war ein deutscher Offizier. Ich drehte mich um und dachte, da. dies die letzten Augenblicke meines Lebens seien, aber er sagte zu mir: "F.rchten Sie sich nicht."

"Ich sah schrecklich aus. Ich trug Lumpen und hatte mich seit 4 Monaten nicht gewaschen und rasiert. Daher versuchte ich zu l.gen und erz.hlte ihm, da. dieses Haus vor dem Krieg meines gewesen sei, und er antwortete mir, da. ich nicht hier bleiben k.nne. "Welchen Beruf haben Sie?" fügte er hinzu. "Pianist und Komponist." - "Dann melden Sie sich bei der Feldgendarmerie." - "Das ist nicht möglich." - "Sind Sie Jude?" - "Ja" - "Folgen Sie mir."

"Wir gingen in die Wohnung, die er weiter unten bewohnte, und ich trat in einen gro.en Raum, dessen Fensterscheiben zerbrochen waren und in dessen Mitte ein Fl.gel thronte. "Setzen Sie sich und spielen Sie mir etwas vor." Da ich seit mehr als zwei Jahren kein Klavier mehr ber.hrt hatte, verzichtete ich auf die Wiener Walzer, die die Deutschen entzäckten, und wählte ein Nocturno von Chopin.

"Er hörte mir zu und fragte mich nach einem Augenblick des Schweigens, wie es mir gelungen sei, mich zu verstecken, da doch die ganze Stadt entv.lkert worden sei. Ich f.hrte ihn zum Speicher. "Wissen Sie", murmelte er plötzlich, "ich weiss alles, was geschehen ist. Die Deutschen haben ein Massaker begangen, und es ist eine Schande für ewig. Welches Unglück, als Deutscher geboren zu sein!"

"Er kam dreimal wieder zu mir mit Kleidung und Nahrung. "Bleiben Sie ruhig, halten Sie durch, wir haben den Krieg verloren, in drei Wochen werden wir wahrscheinlich nicht mehr hier sein." Ich sagte ihm, dass falls ich überleben sollte und er meine Hilfe nach dem Krieg benötigte, er mich bei Radio Warschau aufsuchen könne. Ich gab ihm meinen Vornamen und wollte seinen Namen nicht wissen, denn ich fürchtete zu reden, falls ich verhaftet und gefoltert werden sollte.

- Der Krieg war tatsächlich zu Ende.

- Ja, aber ich wusste es nicht, und ich bin in meinem Speicher geblieben. Der Dezember kam, das Thermometer fiel auf minus 25 Grad. Ich hatte nichts mehr zu trinken, denn das Wasser in den Dachrinnen war gefroren und ich entschloss mich, auf die Strasse zu gehen. Ich wusste nicht, dass die Russen die Wisla (Weichsel) überquert hatten, und der erste deutsche Soldat in Zivilkleidung schaute mich böse an und nahm mich ins Visier. Ich glaubte, dass ich verloren sei, als ein anderer Soldat mit einer Armbinde der polnischen Armee auftauchte und einen Revolver schwenkte. Er rief "Hände Hoch!" Ich antwortete auf polnisch. Das war das Ende. Ich fand mich in der Wohnung wieder, die 3 Wochen vorher mein deutscher Retter bewohnt hatte, für polnische Soldaten Klavier spielend, von ihnen erfuhr ich, dass ich der einzige Zivilist im zerstörten Warschau war. Ich verbrachte drei Wochen in Gesellschaft dieser Soldaten und schliesslich kehrte ich zur Radiostation zurück. Man setzte mich sogleich vor ein Klavier, und ich gab ein improvisiertes Chopin-Konzert.

"Aber Sie müssen wissen, da. mein Abenteuer mit dem deutschen Offizier zu diesem Zeitpunkt nicht zu Ende war. Dieser bemerkenswerte Mann hatte übrigens nicht nur mich, sondern noch andere Juden und Polen während des Krieges gerettet.

"Im Jahr 1951 bekam ich einen Brief von einem deutschen Juden, der mir schrieb: "Ich schreibe Ihnen im Auftrag von Herrn Hasenfeld, den Sie während des Krieges getroffen haben. Er wird zur Zeit in einem Lager in Brest-Litvosk gefangen gehalten. Seine Familie hat Briefe erhalten, in denen er von Ihnen sprach und bat, Sie zu verständigen." Ich ging sofort zu wichtigen Persönlichkeiten, um seine Freilassung zu erreichen, aber es war vergeblich, und er ist dort an einer Gehirnblutung verstorben.

"Eines Tages nahm sein Sohn, der Arzt ist, seinerseits mit mir Kontakt auf. Er besucht mich regelmäig mit seinen Kindern. Vor einigen Wochen sass er in diesem Zimmer, auf dem gleichen Platz wie Sie, und sagte zu mir: "Ich komme nach Polen, um den Ort zu sehen, wo die Juden gelebt haben und wo sie ausgelöscht worden sind. "Und er brach in Tränen aus wie ein kleines Kind."

Interview von Myriam Anissimov


       

Talentierter Pianist Wladyslaw Szpilman gab mit großem Erfolg ein Konzert im Saal des Konservatoriums am 22. dieses Monats (“Unsere Illustrierte” Warschau am 1.6.1930)


Chopin-Recital. Erste offiziele Sendung des Polnischen Fernsehens 1951



Wladyslaw Szpilman 1948

Wladyslaw Szpilman wurde am 5. Dezember 1911 im polnischen Sosnowiec geboren. Nach ersten Klavierstudien in Warschau setzte er seine musikalische Ausbildung von 1931 bis 1933 in Berlin bei Leonid Kreutzer, Arthur Schnabel (Klavier) und Franz Schreker (Komposition) fort. Nach der Machtergreifung nach Warschau zurückgekehrt, machte Szpilman sich schnell einen Namen sowohl als Pianist als auch als Komponist ernster und unterhaltender Musik. Seit 1935 arbeitete er für den Polnischen Rundfunk, bis seine Karriere mit dem deutschen Einmarsch in Polen ein abruptes Ende fand.

Anders als seine Familie, die in Treblinka umkam, entging Szpilman auf wundersame Weise der Deportation und überlebte, unterstützt von Freunden, zunächst versteckt im Warschauer Untergrund, dann zwei Jahre lang in den Trümmern Warschaus auf sich allein gestellt und schließlich mit Hilfe eines deutschen Wehrmachtsoffiziers. Die Erlebnisse während der Kriegszeit verarbeitete Szpilman bereits 1945 in einem Buch, um dann für Jahrzehnte kaum mehr darüber zu sprechen. Seine Erinnerungen, 1998 in Deutschland wieder veröffentlicht und seither in viele Sprachen übersetzt, dienten als Vorlage für Roman Polanskis 2001 entstandenen, mit der Palme d’Or und drei Oscars prämierten Film "Der Pianist".

Nach Kriegsende kehrte Szpilman an den Polnischen Rundfunk zurück, wo er bis 1963 die Musikabteilung leitete. Zugleich war er Kammermusikpartner von höchstrangigen Geigern wie Henryk Szeryng, Roman Totenberg, Ida Händel, Tadeusz Wronski und Bronislaw Gimpel, mit dem er das Warschauer Klavierquintett gründete. Szpilman trat als Konzertpianist und Kammermusiker in Polen, in ganz Europa und Amerika auf. Auch an seine Erfolge als Komponist konnte er nach dem Krieg anknüpfen. Zu Szpilmans kompositorischem Schaffen, das in seinen Berliner Jahren seinen Anfang genommen hatte und das er selbst während der Zeit im Warschauer Getto nicht aufgab, zählen symphonische und konzertante Werke, Klaviermusik, aber auch zahlreiche Hörspiel- und Filmmusiken und rund 500 Lieder und Schlager, von denen viele noch heutzutage in Polen populär sind - sie brachten ihm das Attribut des "Cole Porter, Gershwin, McCartney Polens" ein.

Wladyslaw Szpilman starb am 6. Juli 2000 in Warschau.


Am 8 Januar 2006
Wladyslaw Szpilman: Concertino
Ewa Kupiec, piano / Hamburger Symphoniker-Orchester / Andrey Boreyko
Musikhalle Hamburg,


Launiges vom polnischen Gershwin
Symphoniker
HAMBURG -
Drei Dinge waren es, die man gestern vormittag in der Laeiszhalle lernte: 1. Die Hamburger Symphoniker sind das Orchester der Hansestadt, in dem sich derzeit am meisten bewegt. 2. Andrey Boreyko ist nicht nur ein exquisiter Dirigent, sondern auch ein unterhaltsamer Moderator. 3. Es gibt mehrere Gershwins: nicht nur George, sondern einen polnischen namens Wladyslaw Szpilman.
Jazziges prägte diesmal das Neujahrskonzert der Symphoniker. Eine spannende Mischung, bei der es viel zu entdecken gab. Etwa das Concertino für Klavier und Orchester jenes Szpilmans, der durch Polanskis Film "Der Pianist" weltbekannt wurde (griffig interpretiert von Ewa Kupiec) oder das launige "Symphonische Divertissement" von Ralph Benatzky (ebenso launig musiziert). Die erkältete Nathalie Kollo sang Weill-Songs mit schönem Broadway-Timbre. Und Ewa Kupiec und die Symphoniker glänzten mit der "Rhapsody in Blue" des Original-Gershwins. Tosender Applaus.
bbr
erschienen am 9. Januar 2006

Weitere Konzerttermine mit Werken von Wladyslaw Szpilman


Universität Lüneburg vergibt Hosenfeld/Szpilman-Gedenkpreis

Die Universität Lüneburg vergibt am 2. Februar 2006 um 19 Uhr zum zweiten Mal den mit 5.000 Euro dotierten Hosenfeld/Szpilman-Gedenkpreis, mit dem sie ethisches Widerstandshandeln während des Nationalsozialismus in den Blick der Öffentlichkeit rücken möchte. In diesem Jahr wird eine Arbeit ausgezeichnet, die sich mit dem Thema "Ziviler Widerstand" beschäftigt.
Schirmherren der Preisvergabe sind Bundespräsident a.D. Dr. Richard von Weizsäcker und der polnische Außenminister a.D. Prof. Dr. Wladyslaw Bartoszewski.
In den letzten Monaten des Jahres 1944, in denen der Warschauer Aufstand auf "Führerbefehl" blutig niedergeschlagen wurde, trifft der ehemalige Dorfschullehrer und Besatzungsoffizier Wilm Hosenfeld auf den berühmten polnischen Musiker und Komponisten Wladyslaw Szpilman, dessen Familie mit 400.000 anderen Bewohnern des Warschauer Ghettos in Treblinka von den deutschen Besatzern ermordet wurde. Hosenfeld versteckt Szpilman auf dem Dachboden des deutschen Verteidigungsstabes, versorgt ihn mit Lebensmitteln und Kleidern und kann so sein Leben retten. Nach Kriegsende versuchte Szpilman seinerseits, dem in russischer Kriegsgefangenschaft befindlichen Hosenfeld zu helfen.

Mit der Stiftung und jährlichen Verleihung des Hosenfeld/Szpilman-Gedenkpreises möchte die Universität Lüneburg die Frage des ethischen Widerstandshandelns in Gestalt von Hilfs- und Rettungstaten während der Zeit des Nationalsozialismus der öffentlichen Aufmerksamkeit und Erinnerung empfehlen.

Die Universität Lüneburg sieht sich aufgrund der militärischen Prägung ihres Standortes auf besondere Weise zur Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit verpflichtet und sucht mit dem Hosenfeld/Szpilman-Gedenkpreis ihren Teil zur deutsch-polnischen Verständigung beitzutragen. Mit der Stiftung und Verleihung des Hosenfeld/Szpilman-Gedenkpreises möchte die Universität Lüneburg Wilm Hosenfelds und Wladyslaw Szpilmans gleichermaßen gedenken. Weil die Ehrung der Retter zugleich eine Ehrung der Geretteten bedeuten muss, ist das thematische Spektrum der auszuzeichnenden Projekte sowohl am ethischen Widerstandshandeln zur Zeit des Nationalsozialismus als auch an den beruflichen Tätigkeiten von Wilm Hosenfeld und Wladyslaw Szpilman orientiert.
Eingereicht werden konnten musikwissenschaftliche Untersuchungen, Forschungsarbeiten aus den Kultur- und Geisteswissenschaften und Untersuchungen aus pädagogischer Perspektive.

Über die Vergabe des Preises hat eine Jury entschieden, der neben deutschen und polnischen Wissenschaftlern Vertreter des Präsidiums der Universität Lüneburg angehören.

Die Preisvergabe findet am 2. Februar 2006 um 19 Uhr im Foyer der Universitätsbibliothek der Universität Lüneburg, Scharnhorststr. 1, 21335 Lüneburg statt. Mitglieder der Familien Hosenfeld und Szpilman werden anwesend sein.

--------------

Universität Lüneburg schreibt wieder Hosenfeld/Szpilman-Gedenkpreis aus

Die Universität Lüneburg schreibt zum zweiten Mal den Hosenfeld/Szpilman-Gedenkpreis aus, mit dem sie ethisches Widerstandshandeln während des Nationalsozialismus in den Blick der Öffentlichkeit rücken möchte. Schirmherren der Preisvergabe sind Bundespräsident a.D. Dr. Richard von Weizsäcker und der polnische Außenminister a.D. Prof. Dr. Wladyslaw Bartoszewski.
In den letzten Monaten des Jahres 1944, in denen der Warschauer Aufstand auf "Führerbefehl" blutig niedergeschlagen wurde, trifft der ehemalige Dorfschullehrer und Besatzungsoffizier Wilm Hosenfeld auf den berühmten polnischen Musiker und Komponisten Wladyslaw Szpilman, dessen Familie mit 400.000 anderen Bewohnern des Warschauer Ghettos in Treblinka von den deutschen Besatzern ermordet wurde. Hosenfeld versteckt Szpilman auf dem Dachboden des deutschen Verteidigungsstabes, versorgt ihn mit Lebensmitteln und Kleidern und kann so sein Leben retten. Nach Kriegsende versuchte Szpilman seinerseits, dem in russischer Kriegsgefangenschaft befindlichen Hosenfeld zu helfen.

Mit der Stiftung und jährlichen Verleihung des Hosenfeld/Szpilman-Gedenkpreises möchte die Universität Lüneburg die Frage des ethischen Widerstandshandelns in Gestalt von Hilfs- und Rettungstaten während der Zeit des Nationalsozialismus der öffentlichen Aufmerksamkeit und Erinnerung empfehlen. Der Preis ist mit 5.000 EUR dotiert.

Eingereicht werden können (1) musikwissenschaftliche Untersuchungen oder aber künstlerische Projekte, die sich mit den Kompositionen und dem musikalischen Schaffen von Wladyslaw Szpilman auseinandersetzen, außerdem wissenschaftliche Arbeiten oder künstlerische Projekte, die sich der Erforschung oder Aufführung des musikalischen Schaffens polnischer und deutscher Musiker widmen, welche vom nationalsozialistischen Regime verfolgt worden sind.
Eingereicht werden können ferner (2) Forschungsarbeiten, die sich aus historischer Sicht, aber auch aus den unterschiedlichen Perspektiven der Kultur- und Geisteswissenschaften der Untersuchung ethischen Widerstandshandelns innerhalb der deutschen Bevölkerung im allgemeinen und der Wehrmacht im besonderen annehmen.
Eingereicht werden können schließlich (3) Untersuchungen auf dem Feld der Pädagogik, die einen substantiellen Beitrag zur Beförderung von Zivilcourage sowie ethischem Rettungs- und Widerstandshandeln zu leisten vermögen.
Bewerbungen sind mit zwei Exemplaren der Studie bzw. zweifacher Dokumentation der künstlerischen Leistung, einer 10-seitigen Zusammenfassung, zwei Gutachten von Hochschullehrern sowie einem Lebenslauf unter Berücksichtigung des wissenschaftlichen bzw. künstlerischen Werdegangs an den Präsidenten der Universität Lüneburg, 21332 Lüneburg zu richten. Einsendeschluss ist am 15. Oktober 2005
Weitere Informationen:
http://www.uni-lueneburg.de/fb3/gedenkpreis.php


JETZT NEU:


"Als ‘seriöser’ Komponist steht Szpilman dem Neoklassizismus nahe. Spätromantisches Pathos ist seiner Musik fremd, sie klingt frisch und transparent." – Basler Zeitung

Krystian Zimerman

Geleitwort zur Edition Wladyslaw Szpilman


Es scheint schwierig, ja eigentlich unmöglich, einen eindeutigen Platz für Person und Schaffen Wladyslaw Szpilmans in der Geschichte der Musik des 20. Jahrhunderts zu finden. Erst wenn wir von dem Vorhaben Abstand nehmen, ihn einordnen zu wollen, kommen wir ihm näher. Zum einen liegt dies an seiner außergewöhnlichen Biographie. Die seelischen Erschütterungen und Entbehrungen, die Szpilman als Überlebenden des Holocaust geprägt haben, übersteigen an Härte und Intensität alles, was nachzuempfinden wir in der Lage wären. Zum anderen spiegelt sich in seiner musikalischen Sprache die stilistische Vielfalt und die undogmatische Haltung der Zeit, in der sich seine Entwicklung als junger Mensch vollzogen hatte, die der späten 20er und frühen 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Eine Sprache, die mit Mehrdeutigkeit spielt, mit Masken, hinter denen sich verbergen ließ, was auszudrücken man vielleicht weder sich selbst noch den Tönen zumuten wollte.

Wladyslaw Szpilman – den man außerhalb Polens lange nur als Pianisten kannte – war mehr als ein Musiker, eher ein Musikant im emphatischen Sinne des Wortes. Komponieren war nur ein Aspekt seines vielfältigen Schaffens. Sicher der am wenigsten bekannte, sieht man von der Popularität seiner Songs einmal ab. Er hinterließ ein kleines Oeuvre von Orchester- und Klavierkompositionen, die in dieser Ausgabe erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, Musik für den Film, auch angewandte Musik bis hin zur Vorspannmusik der polnischen Kinowochenschau. Szpilman komponierte nicht sub specie aeternitatis, sondern für den gelebten Augenblick.

Und das verweist auf die seelische Dimension im Hintergrund seines Schaffens. Sie ist nach den von Roman Polanski verfilmten Erinnerungen, in denen Szpilman über sein wundersames Überleben in Warschau während des zweiten Weltkrieges berichtet, ein wenig leichter zu verstehen. Ich sage ganz bewußt: ein wenig. Denn trotz der genialen Verfilmung und trotz der Berichte von Zeitzeugen sind wir vollkommen damit überfordert, uns eine ununterbrochene, mehrere Jahre dauernde Todesangst auch nur annähernd vorzustellen. Aus diesem Grund ist Szpilman für mich kein Fall, der sich irgendwie einordnen läßt in die stilistischen Schubladen des zwanzigsten Jahrhunderts, sondern eher ein Mensch, der die wiedererlangte Freiheit schätzen konnte und gelebt hat. Sein Blick auf die verschiedenen Strömungen der Musik war ein sehr umfassender, von keiner Doktrin eingeschränkter. Er komponierte Musik, um sich auszudrücken, ohne darüber nachzudenken, ob er sich damit einer Richtung anschloß oder ob seine Aussage auf dem Markt Karriere machte. Die Musik diente ihm eher als Ausdruck der Freude am Dasein und nicht als Möglichkeit zur Anwendung erlernter Techniken. Kein Wunder auch, daß seine Musik voll positiver Energie, von fast resurrektionsartigem Charakter ist. So war auch seine Persönlichkeit, als ich ihn kennen gelernt habe, voller jovialer Fröhlichkeit, ein älterer Herr, dessen junger Geist sich nie die Gelegenheit nehmen ließ, hier und da einen Witz zu machen.

Ich spreche hier nicht von Oberflächlichkeit! Als ich ihn bei einer Aufführung des Klavierquintetts von Grazyna Bacewicz durch das von ihm gegründete Warschauer Klavierquintett erlebte, war ich zutiefst gefesselt von den unscheinbaren Mitteln, mit denen er eine Dramatik entstehen lassen konnte, die das Publikum erschütterte. Alles war authentisch, gleichzeitig "einfach" und nicht "gemacht". Man hatte stets das Gefühl, daß die Musiker ganz genau wissen, was sie spielen und warum sie auf dem Podium sind.

Ich freue mich und fühle mich geehrt, daß ich durch die Edition von Boosey & Hawkes an dieser Stelle an die einzigartige Persönlichkeit Wladyslaw Szpilmans erinnern darf.

© 2004 Krystian Zimerman / Boosey & Hawkes / Bote & Bock

Wladyslaw Szpilman

Notenmaterial

Suite : Das Leben der Maschinen (The Life of the Machines) (1933). Für Klavier solo

bei amazon.de

Boosey & Hawkes

Lützowufer 26
10787 Berlin
Telefon: +49 (30) 25 00 13 00
Telefax: +49 (30) 25 00 13 99
composers.germany@boosey.com

Download von einem Prospekt (pdf - 100kb)

Bei SONY Classical

Wladyslaw Szpilman: "Original recordings of the pianist"

erhältlich seit November 2002

(Werke von Szpilman, Bach, Rachmaninow, Chopin a.o.)

Szpilman hatte 1931 bis 1933 in Berlin bei Artur Schnabel Klavier, bei Franz Schreker Komposition studiert. Von beiden Lehrern merkt man wenig: Weder klingt Schnabels strenge "Werktreue" im virtuos-eleganten Spiel, in bester polnischer Tradition, nach, noch wuchern Schrekers spätestromantische Rauschzustände weiter... Szpilmans Kompositionen 1933 bis 1968 verraten hochseriöse Schulung, originelle Einfälle und perfektes, zumal pianistisches Metier, nicht indes besondere Modernität - und erst recht nicht Zeichen besonderen Leidensdrucks...

Daß er ein souveräner, technisch sicherer Pianist mit finessenreichem Anschlag und Sinn für unangestrengte Klangfülle war, belegen die Aufnahmen: eine unpathetische Klavier-Ästhetik, aus unmittelbarer Sinnlichkeit geboren, weder allzu "deutsch"-streng, noch "russisch"-ausdrucksschwer. In Chopins a-Moll-Mazurka op. 17, 4 trifft er genau die Mischung aus schmerzlicher Intensität und sublimem Tanz-Charme, das frühe cis-Moll-Nocturne, 1948 und 1980 eingespielt, klingt elastisch-unversäuselt, und mit welch lockerem, beredt-süffigem Elan er Gusto-Stückerln "hinlegen" konnte, belegt seine Paraphrase über einen Robert-Stolz-Walzer. Debussys "Reflets dans l'eau" und Albeniz' "Cordoba" demonstrieren die Weite des Repertoires, der Schlußsatz der Schumann-Fantasie, Bach-Busonis d-Moll-Chaconne auch den Sinn für Komplexeres.

GERHARD R. KOCH Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2002,

Szpilman ging Werktreue nicht über alles. Er war vielmehr ein Virtuose alter Schule. Das bestätigt sich nicht nur in seiner höchst eleganten Paraphrase über einen Walzer von Robert Stolz, sondern auch in seinem Chopin-Spiel. Szpilman war ein Meister des Tempo rubato, besaß einen goldenen Klang, eine ungeheuere Geläufigkeit und eine reiche Palette an Klangfarben und dynamischen Stufungen.

Gregor Willmes FONOFORUM 11/2002

Boosey&Hawkes and Szpilman Billboard 21.12.2004


TOP 5 bei Voir Canada

Im gut sortierten Handel

Und bei Amazon.de


WENDY LANDS SINGT SONGS

BEI WLADYSLAW SZPILMAN


12 Songs gesungen von Wendy Lands

My memories of you, Fall in love again, Dance with me, True and tender a.o.

Aufgenommen in Kalifornien, USA.

..." Ein ernst zu nehmendes Album"... - Bilboard, 23. Nov. 2002

..."gründlich modern klingende CD " - Variety 23.Dez.2002

..."Bezaubernd, erfrischend, und sehr Amerikanisch.." - Bilboard 21.Dez.2002

..."unglaublich cool..." - Der Holywood Reporter, 14. 03. 2003

..."beindruckende Qualität... " - Los Angeles Times, 14.03.2003

..."in einer Reihe zu stellen mit zwei Joneses, Norah und Rickie Lee .. " - Variety, 14.03.2003

..."elegant und schön" - Business Wire Hollywood

Szpilmans Song-Klassiker kommen zu neuem Leben
Billboard, USA, 23. November 2002
Von Jim Bessman
 
Das ist der Stoff, aus dem Filme gemacht werden! Und es war nur zu gewiss, dass die Geschichte des berühmten polnischen Pianisten und Komponisten Wladyslaw Szpilman, erzählt von seinem Landsmann Roman Polanski in Der Pianist, den Großen Preis beim diesjährigen Filmfestival in Cannes gewinnen würde.
Der Film, der am ersten Weihnachtstag in den USA in die Kinos kommt, hat nicht nur eine bei Sony erschienene CD mit dem Soundtrack des Films im Gefolge, sondern auch ein Album mit Szpilmans populären polnischen Standards: Wendy Lands sings the Music of the Pianist Wladyslaw Szpilman, das am 26. November auf Universals Hip-O Label erscheinen wird. Das Album präsentiert die kanadische Künstlerin Wendy Lands mit Songs, die Szpilman in den 40er und 50er Jahren komponierte, nachdem er auf wunderbare Weise das Warschauer Getto und die Ausrottungspolitik der Nazis überlebt hatte.
Szpilman, jüdischer Abstammung und eine Berühmtheit beim polnischen Rundfunk, spielte Chopins cis-moll Nocturne, als Bomben auf das Studio fielen. Er konnte der Deportation und den Todeslagern entkommen und wurde schließlich von einem deutschen Offizier gerettet, der ihn in seinem Versteck dasselbe Nocturne Chopins spielen hörte. Als er nach dem Krieg seine Karriere beim polnischen Rundfunk wieder aufnahm, geschah dies wieder mit einer Interpretation von Chopins Stück.
Szpilman, der vor zwei Jahren starb, schrieb ein Buch über seine Erlebnisse: Der Pianist. Es wurde zum Bestseller und liegt Polanskis Film zugrunde. Der Film geht allerdings auf Szpilmans Kompositionen nicht ein. In dem Bemühen, auch diesem bedeutenden Aspekt im Werk seines Vaters die verdiente Anerkennung zuteil werden zu lassen, beauftragte Andrzej Szpilman seinen deutschen Freund Sherman Heinig, einen jetzt in Los Angeles lebenden Veteran des Musikgeschäfts.
EINFÜHLSAME ÜBERSETZUNG
"Er erzähte mir von all den populären Songs seines Vaters und spielte mir einige vor, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass die polnische Sprache besonders musikalisch sei", berichtet Heinig, Produzent der CD Wendy Lands sings the Music of the Pianist Wladyslaw Szpilman. "Sie brauchten englische Texte und neue, zeitgemäßeArrangements, denn sie waren in den 40er und 50er Jahren entstanden." Heinig war mehr für ein "akustisches als für ein synthetisches Keyboard-Album" und brachte den Musikproduzenten John Leftwich ins Spiel, der das künstlerische betreuen sollte. "Er spielte Baß mit Rickie Lee Jones und Lyie Lovett, und ich wusste, dass er sensibel genug ist, aus dieser Musik von damals etwas zu machen, was den Leuten heute gefallen würde", setzt Heinig fort. "Da diese Musik in dem Film keine Rolle spielt, und es die erste Gelegenheit für die Menschen im Westen außerhalb Polens ist, Szpilmans Musik zu hören, sollte es auf eine Weise geschehen, dass es junge Leute in einer Weise anzieht wie etwa Nora Jones, und nicht auf die Art, wie man es in den 40ern machte."
Statt englische Übersetzungen von den polnischen Texten zu Szpilmans Songs anzufertigen oder einfach deren Inhalte wieder aufzuwärmen, gaben Heinig und Szpilman neue Texte bei jungen Songwritern in Auftrag. Dazu Heinig: "Wenn Sie Szpilmans Musik hören, dann spüren sie, dass das ein sensibler, feinfühliger und romantischer Mensch war, deshalb haben wir nach Texten gesucht, die zu seiner Musik passen, mit dem selben Ausdruck und dem selben Gefühl."
"Diese Musik ist von einer klassischen Feinheit mit vielen Beziehungen zum Jazz der 40er und 50er, und da wir sie einem breiten Publikum zugänglich machen wollten, suchten wir Texter, die bereits ein Publikum hatten", führt Leftwich aus. Unter denen, die zu The Music of Wladyslaw Szpilman beigetragen haben, nennt er die Songwriter David Batteau, Larry John McNally und Mike Ruff, die alle Songs für Bonnie Raitt schrieben. "Es sind erfolgreiche Texter in diesem Genre zwischen Pop, Jazz, Folk und Americana."
Leftwich fügt hinzu, dass man "beim Lesen von Szpilmans Buch den Eindruck bekommt, dass das ein wirklich charmanter Mann gewesen ist, und dass man dies auch in seiner Art zu komponieren spürt: raffiniert, geistreich und gefühlvoll. Der erste Texter, den ich ansprach, war Mike Ruff. Er las das Buch und war sehr beeindruckt, wie dieser Mensch trotz allem, was er zu erleiden hatte, keinen Groll gegenüber irgend jemandem hegte. Mike dachte, dass das wohl die Art und Weise wäre, wie wir uns selber in einem Krieg verhalten würden: Wir sind alle Musiker, die nicht versuchen würden, Menschen aus Rache umzubringen, sondern durchzukommen, wir selbst zu bleiben und unsere Offenheit nicht zu verlieren. Für Batteau, der auch das Buch las, bedeutete es eine "unglaubliche Ehre", Texte zu Szpilmans Songs zu schreiben. Der Zeitpunkt für dieses Projekt, fügt er hinzu, war auch "unglaublich" angesichts des weltweit wachsenden Antisemitismus. Batteau schrieb die Texte zu I'm set free, My memories of you und Someday we will love again, er ist Ko-Autor zusammen mit Leftwich von Prisoners of Evening, der seinerseits Turn Away und Hold me a moment beisteuerte.
Batteau sagt "Szpilmans Musik steht in der Tradition der großen Standards, und da möchte ich auch gerne weitermachen, denn ich habe gehört, dass noch 300 weitere Songs auf ihre Entdeckung warten. Das Schöne am Schreiben für Standards liegt in der Raffinesse einer Form, in der sich nichts in derselben Weise wiederholt, und das ist eine Herausforderung für die Texte. Der Song muß sich vom Anfang bis zu Ende entwickeln, wie in klassischer Musik. Aber der Standard ist auch ein intelligentes Medium, dass dem Texter Raum lässt für die Erkundung tiefer Gefühle. Das Szpilman-Projekt war deshalb eine höchst willkommene Erfahrung."
LANDS LEIHT IHRE NOTE
Leftwich weist auf das "beeindruckend breite Spektrum ihrer Erfahrung" hin, wenn er erklärt, warum die Wahl für die Interpretation von Szpilmans Songs auf die kanadische Sängerin Wendy Lands gefallen ist, die bereits bei EMI Kanada veröffentlich hat. Als er mit ihr im letzten Jahr an den Demos arbeitete (sie ist auch Co-Texterin für Szpilmans Song True and Tender), fiel ihm ihre Begabung für Stile wie Western, Rock und Jazz auf. "Teile von Szpilmans Musik gehen in all diese verschiedenen Stilrichtungen", sagt er, "und das ist das Aufregende an dieser Aufnahme. Manchmal arbeitet man an einem Projekt und will dabei eine Aussage in einer bestimmten Richtung machen, aber bei diesem wollten wir all die Stile streifen, die in seiner Musik drinstecken, und Wendy war in der Lage, sie herauszuholen." Leftwich weist auch auf das nohe Niveau der Instrumentalisten der Produktion hin, zu denen so vielseitige Begabungen wie der Geiger Sid Page und die Gitarristen Greg Leisz, Jeff Pevar und Heitor Teixeira Pereira gehören.
Vizepräsident Pat Lawrence von Hip-O ist sicher, dass Wendy Lands sings the music of the Pianist Wladyslaw Szpilman ihren Platz auf dem Markt finden wird, nicht zuletzt dank Blue Notes Pioniertaten mit [Nora] Jones. Und er hofft, dass das Album beweist, dass Szpilman nicht nur ein hoch angesehener Pianist klassischer Musik war, sondern auch ein aussergewöhnlicher Komponist von poppiger und jazziger Musik." Aber Lawrence hofft auch, dass das Album Szpilmans wichtige Geschichte den Menschen näher bringen wird. Wie Andrzej Szpilman im Booklet schreibt: "Diese CD ist Zeugnis für die Kraft der Musik und den Überlebenswillen eines Menschen, der die schwierigen Jahre seines Verstecktseins nicht zuletzt dadurch überlebte, dass er sich Note für Note, Takt für Takt, jedes Stück Musik in Erinnerung rief, das er gespielt oder komponiert hatte."
Jim Bessman, Billboard

"Jeder Absolvent ... in der Musikhochschule ist in der Lage, eine Symphonie zu komponieren, möglicherweise wird sie auch einmal gespielt. Doch eine Melodie zu schreiben, die von hunderten von Interpreten gesungen und gespielt wird, dazu muß man schon wirklich geboren sein, am besten in Amerika. Wladyslaw Szpilman, unser Cole Porter, Gershwin, McCartney, ist zu unserem Glück (nicht unbedingt für ihn selbst) in Polen geboren..." – Wojciech Kilar

PRESSE:

Norah Jones! Ihr sucht etwas von gleicher Qualität und Güte? Hier ist es: "Wendy Lands Sings The Music Of The Pianist Wladyslaw Szpilman"...

...Die zwölf Verführungen locken mit der Sophistication des Jazz, der Verruchtheit des Blues, der durchdachten Struktur eines Kunstliedes und der erfrischenden Heiterkeit des Country. Oder anders formuliert: polnischer Country-Rhythm'n'Schlager-Chanson-Jazz mit einem Hauch von Blues.
Damit wir uns richtig verstehen. Es handelt sich hier um hervorragende Perlen polnischen Musikschaffens, die in einer Liga mit Coler Porter oder George Gershwin spielen. Liebhaber hervorragender Kompositionen, gefühl- und stimmungsvoll interpretiert, kommen voll auf ihre Kosten. Endlich kann man sich während der gemütlichen Winterabende mit der Geliebten auch mal eine Alternative zu Norah Jones gönnen. (aus dem Review von Kai Kopp) LAUTSTARK

Man nannte ihn den polnischen Paul McCartney

Szpilmans Talent für populäre Melodien....

Wie zeitlos ein paar seiner in die Hunderte gehenden Melodien für Millionen sind, von denen die vergnügungswillige Welt außerhalb von Polen bisher nicht viel gewusst hat, beweist die in diesen Tagen erschienene neue CD der wunderbaren kanadischen Sängerin Wendy Lands auch dies natürlich ein Reflex auf die Polanski-Verfilmung. Szpilmans Standards (von 1936 bis 1970) werden in englischer Lyrik nachgedichtet...

...dieses Album: reine Liebe und mit derselben gemacht. Angefangen bei der exquisiten Besetzung (darunter Joni-Mitchell-Gitarrist Greg Leisz und der frühere Keyboarder von Prince, Renato Neto) bis hin zur Produktion durch John Leftwich entsteht auf der CD eine einzige Ehrenbekundung für die noble Unterhaltungskunst von Wladyslaw Szpilman. Nicht nur zur Freude des Sohnes Andrzej, der am Zustandekommen des Projekts maßgeblich beteiligt war, swingt das hier - manchmal durch schöne Country-Kurven - artistisch sehr entspannt vor sich hin. Als könne Musik alles, fast alles wieder gut- und vergessen machen. Wenigstens für eine Dreiviertelstunde.... (Von Mirko Weber) DIE ZEIT 51/2002


Sie haben diese CD nicht im Funk gehört? Sie können aber jetzt hören die Fragmente von dieser CD und sich selbst von ihrer Qualität überzeugen - Bitte auf PLAY MUSIC Link klicken


"Wendy Lands sings the songs composed by Wladyslaw Szpilman"

SONGBOOK


amazon.de

Notenausgabe “My memories of you”

16 Songs von Wladyslaw Szpilman

by Boosey & Hawkes Publishers 2003

WEITERE PRESSESTIMMEN

In Polen genießen diese Lieder schon lange große Popularität. Nunmehr wird das überragende Talent Szpilmans als Songkomponist auch über die Grenzen seiner Heimat hinaus weltweit bekannt - durch die CD Wendy Lands sings the Music of The Pianist Wladyslaw Szpilman, die in den USA mit einem Team erstrangiger amerikanischer Musiker produziert wurde. Namhafte amerikanische Autoren schrieben einfühlsame neue Texte, und es entstand eine einzigartige Verbindung aus populärem alternativen Rock, jazzigen Arrangements und gefühlvoller Lyrik.

Im Rahmen der Boosey & Hawkes Szpilman-Werkausgabe sind die meisten Songs dieser CD nun auch im Druck erschienen: Das Album My memories of you - Sixteen selected songs by THE PIANIST Wladyslaw Szpilman ist ab sofort erhältlich und lädt zum Kennenlernen dieser 16 zeitlosen Balladen sowie zum Nachsingen und -spielen ein. Die Stücke sind in den Originaltonarten und mit Szpilmans ursprünglicher Klavierbegleitung wiedergegeben; Akkordbezifferungen sind beigefügt. (Boosey&Hawkes)
Jetzt auch alle Konzertwerke von Wladyslaw Szpilman im Verlag Boosey & Hawkes

"Der Pianist" gewinnt u.a.: 3 Oscars der US Filmakademie, "Goldene Palme" von Cannes Film Festival 2002 , 7 Cesars der Französischen Filmakademie, 2 BAFTA der Britischen Film- und Fernsehenakademie, 10 Adler der Polnischen Filmakademie, Preis 2004 der Japanischen Filmakademie, Goya 2004 Spanien mehr

DER PIANIST

Ein Film von Roman Polanski

nach dem Buch von Wladyslaw Szpilman


Jetzt auf DVD

   

TRAILER OF THE MOVIE

WEBSEITE OF THE MOVIE

Roman Polanski besucht die Ausgestellte Eksponate über Wladyslaw Szpilman in Yad Vashem Museum



ISBN: 3548363512

Wladyslaw Szpilman

"DER PIANIST"




"Das Buch von Wladyslaw Szpilman ist so frisch, lebendig, herzzerreissend, direkt und wunderschön geschrieben, daß es schafft die Geschichte dieser Ereignisse uns von neu an zu vermitteln und begreiflich zu machen." Carmen Callil - Sunday Telegraph

Alles ist mit einer eindeutigen Klarheit erzählt, so daß die Geschichte, in einer Mischung aus Entzetzen, Angst, Verzweiflung, Zorn und Schuld, sich im Bauch des Lesers ansiedelt und ihn beinahe sanft im Griff behält. - The Spectator

In einer Zeit, in der Abenteuergeschichten unter dem Begriff des Actionfilms aus Hollywood subsumiert werden, in der endlose Szenen mit Verfolgungsjagden und Explosionen als der Höhepunkt der Spannung gelten, ist es eine Erleichterung, dieses Buch zu lesen ... - Literary Review - London

Man kann aus diesem kurzen Bericht vom Überleben eines Mannes in den Kriegsjahren im verwüsteten Warschau mehr über die Natur des Menschen lernen als aus zahlreichen Geschichtsbüchern. - Independent on Sunday

... ein emotional erschütterndes, überzeugendes Buch . - Jewish Chronicle

Wladyslaw Szpilmans Bericht vom Leben in Warschau während der Nazi-Okkupation und vom Warschauer Ghetto hat eine einmalige Lebendigkeit. - The Observer

... eindrucksvolle Aufzeichnungen... - The Times

"Der Spiegel": "Szpilman berichtet in einem eher kühlen Stil, versetzt mit Sarkasmen und sanfter Ironie..."
Link zum Artikel

"Dieses Buch erzählt von wahren Begebenheiten, enthält jedoch mehr Außergewöhnliches und Sensationelles als viele Romane."
Andrzej Szczypiorski



"Als eines der wichtigsten Bücher der Holocaust-Literatur hat der Schriftsteller Wolf Biermann die Überlebenskronik des polnischen Musikers Wladyslaw Szpilman gewürdigt."
"Deutsche Presse Agentur"

"Ein Mensch, der in die Höllen des Holocaust geriet und dennoch dieses menschgemachte Inferno überlebte, muß ja ein Wunder auf zwei Beinen sein. Aber nicht jeder kann es so tief und wahr, so todtraurig und so selbstironisch erzählen wie dieser Pianist und Komponist, also dieser jüdische Spielmann mit dem polnischen Namen Wladyslaw Szpilman"
Wolf Biermann



...vorzüglicher Kammermusiker. Ich kannte ihn im Warschauer Getto...
...Sein Buch ist ein ehrliches und ein ergreifendes Zeitdokument...

...Mit seinen vielen, oft rasch skizzierten Figuren, mit seinen unzähligen kleinen, doch meist charakteristischen Szenen und Situationsbildern hätten Szpilmans Erinnerungen sehr wohl als Vorlage für einen großen Spielfilm Verwendung finden können...

...Wie alle, die ihre eigenen Erlebnisse in einem Film sehen, war auch ich oft geneigt, die Wiedergabe der historischen Wahrheit zu beanstanden und refrainartig zu wiederholen: Es war ja alles anders... Nein, es war nicht anders. Was ich mir nie vorgestellt, was ich nie zu hoffen gewagt habe, das ist Polanski hier gelungen...

Marcel Reich-Ranicki FAZ 23.10.2002


Peter Lachmann


Hermeneutik der Schuld

(für Wladyslaw Szpilman)


Herr Wladislaus las nie &Mac221;Die negative Dialektik&Mac220;
in der Theodor Adorno präzise die Hölle auf Erden beschrieb
in die die Überlebenden geradewegs gerieten
für Herrn Wladislaus sind Auschwitz oder Treblinka
keine metaphysischen Kategorien
kein Ende der »ontologischen Möglichkeiten«
sondern Kryptonyme des Familiengrabes
die Kunst nach Auschwitz
die Klavierspielkunst
war für ihn genauso selbstverständlich
wie die Kunst vor Auschwitz
vor dem Getto und im Getto selber
dank dieser Kunst überlebte er
(das Klavierspielen war sein Leben)
jetzt
nach der internationalen Karriere als Klavierspieler
erreichte der greise Herr Wladislaus den Zustand
den Adorno beschrieb
er erwachte in den Armen der Toten
sie würgen ihn sie klagen ihn an
wegen Verrats wegen der Schuld des Überlebens
einst rettete ihm ein Traum das Leben
jetzt vergiften Träume den Rest seines Lebens
seine Virtuosenhände betrachtend
erkennt er in ihnen
das kalte Instrument
eines falschen Bewußtseins
aber er kann die vielen Konzerte
in so vielen Städten auf so vielen Kontinenten
nicht mehr absagen
und den heißen Applaus
nicht mehr einfrieren lassen


2

obwohl er dem Philosophen jetzt recht gäbe
darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe kein Gedicht
mehr sich schreiben. Nicht falsch aber ist die nicht minder kulturelle
Frage, ob nach Auschwitz sich noch leben lasse, ob vollends es dürfe,
wer zufällig entrann, wer rechtens hätte umgebracht werden müssen.
(Rechtens?)
er kann sein gelebtes Leben
nicht in ein Produkt postumer Phantasie verwandeln
er hat zwei Söhne
auf beide ist er stolz
seine Frau ist Ärztin
sie rettete sein Leben
als kaum noch Hoffnung bestand
kurz vor dem Konzert im Münchner Herkules-Saal
das er auch nicht mehr absagen konnte
weil er den Zuhörern beweisen wollte
daß jemand weiterspielt
er war ein begeisterter Spieler
Nomen est omen
er ist ohne Schuld
aber voller Schuldgefühle
er erwacht er versucht einzuschlafen er schläft ein er wacht auf
mit genau den gleichen Zweifeln und der gleichen Gewißheit
daß derjenige der ihn auf dem Umschlagplatz erkannte
der ihn aus dem Transport nach Treblinka rettete
nur ihn allein aus der ganzen Familie
einen grundsätzlichen Fehler beging
den Fehler seines Lebens

von Peter Lachmann, Warschau 1991-98

(Die ursprünglich polnische Fassung hat der Autor 1995 im Rahmen einer Dichterlesung auf Einladung der Edith-Stein-Gesellschaft auf dem Gebiet des ehemaligen Umschlagplatzes in Warschau gelesen.)



20minuten.ch Akt. 17.02.09; 14:57 Pub. 17.02.09; 14:38

«DER PIANIST»
Holocaust-Gedenkstätte ehrt Wehrmachtsoffizier

Der Wehrmachtshauptmann Wilm Hosenfeld, der durch den Film «Der Pianist» berühmt wurde, ist in Israel postum als «Gerechter unter den Völkern» geehrt worden.

Der Pianist ist die Verfilmung der 1999 in London publizierten Autobiographie «The Pianist» des Polen Wladyslaw Szpilman. Regie führte der polnisch-französische Regisseur Roman Polanski, der selber während des Krieges im Krakauer Ghetto überlebte und seine Mutter in Auschwitz verlor.
Der Film erhielt 2003 drei Oscars für die Beste Regie (Roman Polanski), den Besten Hauptdarsteller (Adrien Brody) und das Beste adaptierte Drehbuch (Ronald Harwood).
Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem teilte am Montag mit, eine Kommission habe die Würdigung nach Einsicht neuer Dokumente beschlossen. In Roman Polanskis «Der Pianist» (2002) wird nachgezeichnet, wie Hosenfeld den polnisch-jüdischen Klavierspieler Wladyslaw Szpilman in seinem Versteck mit Decken und Lebensmitteln versorgte.
Nach Angaben von Jad Vaschem hatte neben Szpilman auch ein zweiter jüdischer Überlebender namens Leon Wurm ausgesagt, Hosenfeld habe ihm geholfen. Die zuständige Kommission habe jedoch mit einer Würdigung gezögert, bevor nicht geklärt war, ob Hosenfeld während des Aufstands im Warschauer Ghetto an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen war.


Jetzt seit Oktober 2004 in einer Neuauflage

vom Ullstein Verlag - eine Sonderausgabe

ISBN: 3548840310, € 3,99

Bei Amazon.de



EDITORIAL


Vergessen und erinnern
Gibt es einen schöneren Namen für einen Musiker als Szpilman ? ( gesprochen: Spielmann) stammt aus Polen, hat als Komponist Landsleuten manches Werk geschenkt. Szpilman hat eine dramatische Biographie: Als einziger seiner Familie überlebte der Jude die Kriegsjahre im Warschauer Ghetto. ,,Das wunderbare Überleben" lautet der Titel seiner Erinnerungen. Im Econ-Verlag sind sie jüngst erstmals auf deutsch erschienen. Doch nicht etwa Wladyslaw Szpilman haben wir diese Veröffentlichung zu verdanken. Ein halbes jahrhundert nach dem Schrecken möchte der Musiker sich nicht mehr erinnern, möchte nichts anderes sein als ein ganz normaler alter Musiker. Doch sein Sohn Andrzej, ein in Hamburg praktizierender Zahnarzt, drängte den Vater, den Nachgeborenen vom Verdrängten zu erzählen. DS-Mitarbeiterin Ulrike Wilhelm hat Vater und Sohn Szpilman ins Gespräch gebracht. Da saßen Sie dann über Eck auf einer Couch und stritten darüber, was schwerer wiegt: das Recht des Opfers auf Ver- gessen oder das Recht der Kinder auf Wissen. Ein faszinierender, hoch emotionaler Disput, dessen Lektüre auf den Seiten 27 und 28 ich Ihnen besonders empfehlen möchte.
Tim Schleider - Stellvertretender Chefredakteur
Im Gespräch: Wladyslaw und Andrzej Szpilman


Laß mich vergessen
Das sagt einer, der das Warschauer Ghetto überlebt hat. Doch sein Sohn will alles wissen, und zwar ganz genau

VON ULRIKE WILHELM


Der jüdische Pianist und Komponist Wladyslaw Szpilman, 86, hat sich nach
Kriegsende seine Erinnerungen von der Seele geschrieben: In dem Buch,
das 1946 in Polen erschien, erzählt er, wie seine gesamte Familie
deportiert, er selbst jedoch von dem deutschen Offizier Wilm Hosenfeld
gerettet wurde. Danach hat er in den Erinnerungen nicht mehr gelesen.
Doch sein Sohn Andrzej, 41, konnte das Schweigen nicht hinnehmen. Der
Zahnarzt und Musiker, der vor 15 Jahren nach Deutschland emigrierte,
überredete seinen Vater, das Buch jetzt auf deutsch herauszugeben (»Das
wunderbare Überleben«, Econ Verlag). Außerdem hat er eine CD mit
Szpilman-Werken gemacht (»Ein musikalisches Porträt«, nur über den
Buchhandel erhältlich). Ein Gespräch zwischen Vater und Sohn über eine
lebenswichtige Frage: erinnern oder schweigen?

Herr Szpilman, nach mehr als fünfzig Jahren werden die Erinnerungen aus
dem Warschauer Ghetto noch einmal lebendig. Was für ein Gefühl ist das?

Wladyslaw Szpilman: Ein furchtbares Gefühl. Ich bekomme Depressionen,
besonders jetzt im Alter. (Zu Andrzej): Warum soll ich darüber sprechen?
Ist das wichtig?

Andrzej Szpilman: Es ist sogar sehr wichtig.

Machen die Jahre es leichter, die Belastung auszuhalten?

Wladyslaw Szpilman: Nach dem Krieg habe ich wieder beim Polnischen
Rundfunk angefangen. Ich war so beschäftigt, daß ich keine Zeit hatte,
nachzudenken. Jetzt bin ich alt und muß viel daran denken. Ich sage
manchmal, daß ich schon zu lange lebe.

Wie ist das für Sie, Andrzej, Ihren Vater so leiden zu sehen?

Andrzej Szpilman: Es war bestimmt nicht einfach, an dem Buch zu
arbeiten.

Wladyslaw Szpilman: Ach, der kann das doch nicht verstehen. Der kannte
meine Familie nicht - noch nicht einmal vom Bild. Alles ist verbrannt.

Andrzej Szpilman: Können Sie sich das vorstellen? Alles, was sich in den
anderen Familien über Generationen angesammelt hat, fehlt uns. Vor zwei
Wochen habe ich erstmals ein Foto meiner Großeltern gesehen.

Haben Sie Ihrem Sohn von Ihrer Familie erzählt?

Wladyslaw Szpilman: Nein.

Warum nicht?

Wladyslaw Szpilman: Wozu sollte ich ihm das erzählen? Der war jung! Er
hatte so ein Talent zur Musik, so ein gutes Leben. Sollte ich ihm ein
Gift mitgeben? Daß die Mutter und der Vater und zwei meiner Schwestern
und ein Bruder ins Gas geschickt wurden - sollte ich ihm das erzählen?

Haben Sie versucht, Andrzej die jüdische Kultur nahezubringen?

Wladyslaw Szpilman: Nein. Ich habe zu Hause auch keine jüdische Kultur
gepflegt.

Wladyslaw Szpilman w. parents Sie waren also assimiliert?

Wladyslaw Szpilman: Leider. Mein Vater war ein Geiger. Er mußte am
Freitag spielen.

Von Ihrer jüdischen Herkunft haben Sie erfahren, als Sie das Buch Ihres
Vaters stibitzten. Was hat das für Sie bedeutet?

Andrzej Szpilman: Noch nicht so viel, ich war zwölf Jahre alt.

Wladyslaw Szpilman: Die jungen Leute sind nach dem Krieg geboren und
sollen nichts darüber wissen, damit es sie nicht belastet.

War es richtig, daß Ihr Vater schwieg?

Andrzej Szpilman: Mein Vater hat das so entschieden.

Können Sie das respektieren?

Andrzej Szpilman: Ich habe keine Wahl gehabt.

Wladyslaw Szpilman: Wozu soll ich mit ihm darüber reden?

Andrzej Szpilman: Das ist meiner Meinung nach ein Fehler gewesen.

Warum?

Andrzej Szpilman: Als kleiner Junge mußte ich mir antisemitische Witze
anhören, und ich habe selbst damit angefangen, wie jeder andere
Antisemit. Dann mußte ich erfahren, daß ich selbst ein Jude bin. Ich
wollte es nicht glauben.

Fühlen Sie sich heute als Jude?


Photo jens.wunderlich@t-online.de
www.jens-wunderlich.de

Wladyslaw Szpilman: Ich nicht. Ich bin ein Pole jüdischer Abstammung.
Ich habe meinen Namen auch nicht geändert. Und mein Sohn - soll er's
halten, wie er will.

Und? Wie halten Sie es?

W. Szpilman 1948 Andrzej Szpilman: Ich bin halbe-halbe, sympathisiere aber mehr mit
meiner jüdischen Hälfte. Durch den Antisemitismus mancher Polen mag ich
meine polnische Hälfte weniger als die jüdische.

Wladyslaw Szpilman: Bei mir ist das anders. Die Musik ist meine
Identität.

Ihre Schlager liefen im polnischen Radio. Sie waren bekannt.

Andrzej Szpilman: Das ganze Land hat seine Lieder gesungen. Fragen Sie
ältere Menschen.

Herr Szpilman, woran denken Sie, wenn Sie das Wort deutsch hören?

Wladyslaw Szpilman: Ich fahre jedes Jahr nach Deutschland. Ich kenne
Orte, da waren Sie bestimmt noch nicht. Schwäbisch-Hall ist so ein
kleiner wunderbarer Ort.

Andrzej Szpilman: Die Frage war, womit du das Deutsche verbindest.

Wladyslaw Szpilman: Für mich war es erstaunlich, daß ein so großes und
zivilisiertes Kulturvolk Bücher verbrannt hat. Ich habe doch hier
studiert, in Berlin an der Hochschule für Musik, 1931/1932.

Hilft Ihnen die deutsche Musik, zu verzeihen?

Wladyslaw Szpilman: Nehmen Sie Bach! Kann man aufhören, Bach zu spielen?
Undenkbar. Oder Brahms, Beethoven? Das sind die größten Komponisten.

Sie haben in Ihrem Buch geschrieben, der "Judenstern" sei für Sie wie
ein "Brandmal am ürmel" gewesen.

Wladyslaw Szpilman: Ich konnte das nicht ertragen und habe damals eine
Depression bekommen. Zwei Monate habe ich im Bett gelegen und wollte
überhaupt nicht mehr aufstehen.

Family Szpilman Den anderen Menschen hat möglicherweise der Glaube geholfen.

Wladyslaw Szpilman: Sie fragen, ob ich gläubig bin. Wenn man zusehen
muß, wie kleine Kinder getötet werden, wie sie an die Wand geschlagen
werden, ganz ohne Grund, wie soll ich da an Gott glauben?

Kann man noch etwas fühlen, wenn man so etwas gesehen hat?

Wladyslaw Szpilman: Ich kann nicht fühlen, nein. Ich glaube nicht mehr,
daß ich so etwas wirklich gesehen habe. Aber ich habe das gesehen, mit
meinen eigenen Augen. Ein schlechter Mensch genügt, um die ganze Welt
kaputtzumachen.

Genügt ein Mensch wie der Wehrmachtsoffizier Hosenfeld, um Hoffnung zu
haben?

Wladyslaw Szpilman: Hosenfeld war ein wunderbarer Mann. Juden oder nicht
Juden, er hat alle gerettet, auch Priester. Und ich bin sicher, daß
solche Männer für jedes Land sehr viel wert sind. Als ich ihn traf,
hatte ich keine Kräfte mehr. Da kam er und hat gesagt: "Haben Sie keine
Angst." Er hat "Sie" gesagt, nicht "Du". Die haben uns immer geduzt. Er
sprach nicht wie ein Nazi. Schon allein das hat mir geholfen. Es war
unerhört.

In Ihren Armen ist ein kleines Kind gestorben.

Wladyslaw Szpilman: Nicht in meinen Armen. Als ich es in den Armen
hatte, war es bereits tot. Ein Soldat hatte es auf dem Boden mit den
Füßen totgetreten. Ein anderes Mal, es war im kleinen Ghetto und es war
auch ein Sonntag, habe ich gesehen, wie ein Junge getötet wurde, der
seine Mütze nicht abgenommen hatte. Der Soldat hat ihn mit einer
einzigen Kugel erschossen.

Andrzej Szpilman: War das ein Soldat?

Wladyslaw Szpilman: Weiß ich nicht genau, ich war zu weit davon
entfernt.
Wladyslaw Szpilman grandchildren Alina and Daniel
Andrzej Szpilman: Waren im Ghetto auch Soldaten?

Wladyslaw Szpilman: Nein, das war doch das Kommando, das diese so
genannten Aussiedlungen gemacht hat.

Andrzej Szpilman: Wer war das eigentlich?

Wladyslaw Szpilman: Fragt er mich, wer das gemacht hat. Das sind diese
Kommandos gewesen, das weißt du doch.

Andrzej Szpilman: Aber was waren das für Menschen? Soldaten? Polizei?

Wladyslaw Szpilman: Das waren keine Menschen, das waren SS-Leute.

Andrzej Szpilman: Also keine Soldaten?

Wladyslaw Szpilman: Nein! Die Wehrmacht hat nichts damit zu tun gehabt.

Andrzej Szpilman: Hat man in Warschau denn Wehrmacht gesehen?

Wladyslaw Szpilman: Nur zu Beginn des Krieges, junge Menschen, die haben
ihre Arbeit gemacht.

Andrzej Szpilman: Und die waren freundlich?

Wladyslaw Szpilman: Wenn ich ihnen sagte, daß ich Musiker bin, haben sie
mich in Ruhe gelassen.

Andrzej Szpilman: Wie war das genau?

Wladyslaw Szpilman: Das interessiert doch die Dame nicht.

Andrzej Szpilman: Aber mich!

Wladyslaw Szpilman: Die jungen Soldaten waren freundlich. Es waren
Luftwaffen-Soldaten.

Andrzej Szpilman: Aha.

Wladyslaw Szpilman: Ja! Und ganz am Anfang, als das Ghetto noch offen
war, sind sie zu meinem Haus gekommen und haben Leute zum Arbeiten
geholt. Sie kamen auch in meine Wohnung. Und ich saß da und habe auf dem
Piano gespielt. Da sagten sie: "Soll er spielen!" Und sind gegangen.

Andrzej Szpilman: Das war SS?

Wladyslaw Szpilman: Nein! Sag' ich doch! Es waren Soldaten! Und was die
Generale der Wehrmacht betrifft: Der Hosenfeld, immerhin ein Offizier,
hat mir gesagt, daß der General überhaupt nichts über die schlechten
Sachen wußte.
Wladyslaw Szpilman Helmut Hosenfeld
Andrzej Szpilman: Das heißt, im Ghetto waren nur SS-Leute, Litauer,
Ukrainer und jüdische Polizei? Aber es gibt hier Behauptungen, daß die
Wehrmacht-Soldaten sich an den Morden beteiligt haben.

Wladyslaw Szpilman: Davon weiß ich nichts.

Andrzej Szpilman: Und das Kind, das in deinen Armen starb?

Wladyslaw Szpilman: Das habe ich nicht gesehen.

Andrzej Szpilman: Du kannst dich bloß nicht mehr erinnern. In deinem
Buch ist eine Szene beschrieben, wie ein Junge Essen ins Ghetto
schmuggelt. Er zog den Kopf durch das Loch in der Mauer, man hat ihn von
hinten getreten, und seine Wirbelsäule ist zertrümmert.

Wladyslaw Szpilman: Das war 1942, ja. Und wieviel Zeit ist seither
vergangen? Ich möchte mich nicht daran erinnern.

Andrzej Szpilman: Wann hast du dein Buch zuletzt gelesen?

Wladyslaw Szpilman: Ich hab' es nicht mehr gelesen - und Schluß!

Andrzej Szpilman: Wirst du das Buch lesen, an dem wir hier neun Monate
lang gearbeitet haben?

Wladyslaw Szpilman: Nein. Ich möchte diese Hölle nicht noch einmal
überleben! Du kannst mich nicht dazu zwingen!

Andrzej Szpilman: Das will ich auch nicht. Keiner verlangt das.

Wladyslaw Szpilman: Du verlangst das. Aber ich möchte vergessen, daß ich
das überlebt habe. Ich muß ruhig sterben. Ich war nach dem Krieg nie in
Treblinka (zeigt auf seinen Sohn): Der war dort! Ich nicht. Meine ganze
Familie ist dort ermordet worden. Dort platzt mein Herz.

Andrzej Szpilman: Du sollst auch nicht hinfahren.

Wladyslaw Szpilman: Aber du warst dort!

Andrzej Szpilman: Ich bin hingefahren. Da habe ich zum ersten Mal
erfahren, wo das Ghetto in Warschau überhaupt war. Können Sie sich das
vorstellen? Ich habe 27 Jahre dort gelebt und nicht gewußt, wo Ghetto
und Umschlagplatz waren. Wo die Treppe war, hat meine Oma gelebt, st
immt's?

Wladyslaw Szpilman: Ja.

Andrzej Szpilman: Wir waren tausendmal da. Aber er hat nie gesagt, daß
an dieser Ecke das Haus meiner Oma stand. Wie sollte man das wissen, daß
man Jude ist, wenn man nicht mal wußte, wo das Ghetto war. Überall gibt
es Denkmäler für die polnischen Widerstandskämpfer. Aber es gibt keine
Denkmäler für die Juden, obwohl ein Drittel der Bevölkerung von Warschau
Juden waren.

Wladyslaw Szpilman: Unsinn.

Andrzej Szpilman: Außer einem Monument.

Wladyslaw Szpilman: Einem großen Monument!
Wladyslaw and Daniel Szpilman
Andrzej Szpilman: Wo der Umschlagplatz gewesen ist, war vor fünfzehn
Jahren noch eine Tankstelle. Am Platz der Deportation habe ich mein
Leben lang getankt.

Und auch das Haus Ihrer Mutter wollten Sie nicht zeigen?

Wladyslaw Szpilman: Es war nur eine Ruine. Man hat ein neues Haus
gebaut.

Ihr Bruder, Henryk, könnte vielleicht noch leben, wenn er sich nicht
geweigert hätte, jüdischer Polizist zu werden.

Wladyslaw Szpilman: Ich hab' ihm gesagt, er soll es machen. Aber er hat
gesagt: nein. Drei Monate zuvor hatten sie ihn schon mal geschnappt, ich
bin dann zur jüdischen Polizei gegangen und habe für meinen Bruder
gesprochen. Und er durfte gehen. Als mein Bruder nach Hause kam, sagte
er: Wie kannst du nur zu so einem schmutzigen Mann gehen und ihn darum
bitten, daß ich freikomme. Ich sagte: Wenn nicht, dann wärst du nach
Treblinka gegangen.

Andrzej Szpilman: Wußte man da schon, was das bedeutet?

Wladyslaw Szpilman: Ich wußte das genau.
W. Szpilman TV Studio
Andrzej Szpilman: Wußten es alle?

Wladyslaw Szpilman: Ich habe keine Umfrage gemacht. Manche Leute wußten
das. Wir wollen nicht weiter darüber reden. Sie werden nicht gut
schlafen. Und ich werde auch nicht gut schlafen. Das ist vorbei. Allein
daß ich lebe, ist ein Wunder.

Dennoch ist es gut, daß Sie das Wunder an Ihren Sohn weitergeben
konnten. Und jetzt, durch das Buch, an viele andere Menschen.

Wladyslaw Szpilman: Ich habe es nicht an ihn weitergegeben. Er hat es
sich genommen. Er hat das erste Buch heimlich gelesen. Jetzt hatte er
die Idee, es noch einmal erscheinen zu lassen. Er hat die ganze Arbeit
gemacht. Haben Sie das Foto auf dem Buch gesehen? Das wunderbare Foto
hat er gemacht. Ich habe nichts dazu beigetragen.

Andrzej Szpilman: Jetzt habe ich eine CD mit deiner Musik
herausgebracht. Freut dich das gar nicht?

Wladyslaw Szpilman: (lacht). Du bist ein phänomenaler Mann.

Andrzej Szpilman: Aber du weißt genau, daß das Buch wichtig ist?

Wladyslaw Szpilman: Für mich ist es nicht wichtig.

Andrzej Szpilman: Für dich nicht. Aber es gibt hier wieder
Neofaschisten.

Wladyslaw Szpilman: Und die Neofaschisten bleiben Neofaschisten, mit
oder ohne mein Buch.

Andrzej Szpilman: Es gibt Leute, die wollen keine Geschichten aus der
Vergangenheit mehr hören.

Wladyslaw Szpilman: Manche sagen das. Aber das Volk hat 80 Millionen
Leute. Und es sind vielleicht hundert Menschen, die das sagen.

Andrzej Szpilman: Vielleicht ist es an der Zeit, daß man darüber nicht
mehr redet?

Wladyslaw Szpilman: Unsinn. Man muß verhindern, daß die Leute vergessen.
Aber in Deutschland kommt kein neuer Faschismus.

Andrzej Szpilman: Nein?

Wladyslaw Szpilman: Nein! Die Leute sind zu klug dafür.



©DS - Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt,
6. März 1998, Nr.10 1998
Photos mit freundlicher Genehmigung von Jens.Wunderlich@t-online.de
www.jens-wunderlich.de





Polnischer Komponist Wladyslaw Szpilman stellte seine Erinnerungen vor.

Buch wird von Hollywood-Regiesseur Roman Polanski verfilmt

Von REGINA KÖTHE

Berlin. Er kommt in Begleitung seines Sohnes Andrzej mit ruhigem Gesicht und wachen Blick zur Tür herein. Ein Mann von 88 Jahren mit einer ergreifenden Lebensgeschichte. Er hat das Warschauer Ghetto überlebt. Wladyslaw Szpilman ist Konzertpianist und Komponist, und er lebt. Das zählt.
In Polen ist Wladyslaw Szpilman ein bekannter Mann, nicht nur als Pianist und Komponist klassischer Musik. Die Menschen sind mit seinen Liedern aufgewachsen, nach dem Krieg wurde die polnische Popmusik maßgeblich von ihm geprägt. Anläßlich der "Woche der Brüderlichkeit" fand in Berlin eine Matinee zu Ehren von Wladyslaw Szpilman statt, auf der die Chanson Sängerin Celine Muzil einige seiner bekannten Schlager interpretierte und Karin Wolff aus seinem Buch "Der Pianist" las.

Mit Ende Zwanzig erlebte er 1939 den Einmarsch der Deutschen in Polen. Der talentierte Konzertpianist arbeitete damals für den polnischen Rundfunk. Die "Nocturne cis-Moll" von Chopin war das letzte Stück, dass er am 23. September 1939 live im Sender spielen konnte. Dieses Klavierstück markiert den Anfangspunkt der Verfolgung und des Leidens von Wladyslaw Szpilman, dass mit der Besetzung Polens begann. Als Jude wurde Wladyslaw Szpilman systematisch ausgegrenzt und entrechtet. Das Warschauer Getto wurde zur Todesfalle, 1940 waren dort rund 500 000 Juden eingesperrt. Mehr als 300 000 wurden 1942 - perfekt organisiert von SS und Reichsbahn - in die Todeslager deportiert und ermordet. Wladyslaw Szpilman hat durch die Nationalsozialisten seine Eltern, seine Schwestern Regina und Halina, sowie seinen Bruder Henryk verloren. Er stand mit ihnen 1942 auf dem Sammelplatz in Warschau, um in die Vernichtungslager transportiert zu werden. Unerwartet und gegen seinen Willen, denn er wollte nicht von seiner Familie getrennt werden, wurde er noch einmal aus der Reihe der Todgeweihten herausgeholt.
Schließlich gelang ihm die Flucht aus dem Getto, und einige Zeit versteckten ihn seine polnischen Freunde.
In den Ruinen der entvölkerten Stadt hielt er sich in den letzten Kriegsmonaten alleine versteckt. Unrasiert und ungewaschen geisterte er wie ein Phantom durch die Straßen der verwaisten Metropole. Als "einsamer Robinson", wie Szpilman sagt, musste er ausharren und hoffte auf das Ende des Krieges. Dabei gab es Momente, in denen er an Selbstmord dachte, so verzweifelt erschien ihm seine Lage. Bei seiner abendlichen Nahrungssuche in den Ruinen überraschte ihn im November 1944 ein Wehrmachtsoffizier. Szpilman glaubte, dass er nun endgültig zum Tode verurteilt war, doch der Offizier lieferte ihn nicht aus. Vielmehr half er ihm, ein sicheres Versteck auf dem Dachboden des Hauses zu finden und versorgte ihn mit Nahrung. Erst nach dem Krieg erfuhr Szpilman den Namen dieses Offiziers. Wilm Hosenfeld gehörte zu den wenigen, die nicht bereit waren, die Politik Hitlers bedingungslos zu unterstützen. Er starb1952 in einem Internierungslager in Stalingrad. "Ihm verdanke ich mein Leben", sagt Wladyslaw Szpilman. Das hat dazu beigetragen, dass er die Deutschen nicht generell ablehnt. Außerdem hat er während seiner Studienzeit - vor der Machtergreifung Hitlers - zwei Jahre in Berlin gelebt. "Ich liebe ihre Musik und Kultur." Und so war er auch bei der Matinee in Berlin anwesend und erzählt auf Deutsch von seiner Zeit in Berlin. Und von Chopins "Nocturne cisMoll": Nach dem Kriegsende war es das erste Stück, dass Wladyslaw Szpilman im Rundfunk live spielte.
Menschen wie Wladyslaw Szpilman sind Zeugen des Nationalsozialismus und Holocaust, die als Verfolgte überlebt haben. Ihre Berichte geben eine Ahnung davon, wie dieses Phänomen, dass die Nachgeborenen nur aus den Geschichtsbüchem kennen, im Alltag der Jahre zwischen 1933 und 1945 aussah. Den biographische Bericht "Der Pianist - Das wunderbare Überleben" hatte er unter dem unmittelbaren Eindruck - oder besser Schock - des Erlebten bereits 1945 geschrieben.
Ein schonungsloser und überraschend nüchterner Realismus kennzeichnet die Sprache, die auch ironische Passagen hat. Erst 1998 ist das Buch auf Deutsch veröffentlicht worden, übersetzt von Karin Wolff und mit einem Essay von Wolf Biermann.
Der Regisseur Roman Polanski will das Leben des jüdischen Musikers und Komponisten Wladyslaw Szpilman verfilmen und hat sich bereits mit ihm getroffen. Die Dreharbeiten sollen im Dezember beginnen.

Franfurt, MOZ, 18.4.2000

Erinnerung an Wladyslaw Szpilman 02.09.04 "radio mephisto97,6"

Gestern vor 65 Jahren überfiel Nazi-Deutschland Polen und der zweite Weltkrieg begann. Die deutschen Soldaten errichteten dort ihre Schreckensherrschaft und setzten nach und nach die Rechte der Polen und vor allem der polnischen Juden außer Kraft, bis es schließlich zur Umsiedlung der Juden ins Warschauer Ghetto kam. Einer, der all das miterlebt hat, war Wladyslaw Szpilman. Gestern abend wurde im Polnischen Institut dieses Musikers gedacht, dessen Schicksal exemplarisch ist für das Schicksal vieler Polen im zweiten Weltkrieg. Julia Heyde war im Polnischen Institut mit dabei und erinnert an den Pianisten Wladyslaw Szpilman.

to


Der Komponist
Einblicke in das umfangreiche Oeuvre von Wladyslaw Szpilman
DT vom 24.10.2002
Von Adelbert Reif


Wladyslaw Szpilman war keineswegs nur der legendäre Tastenvirtuose, als der er in Roman Polanskis Film ???Der Pianist“ erscheint, sondern auch ein überaus vielseitiger Komponist. Neben Werken im klassischen Stil schrieb er Film- und Ballettmusik, musikalische Kindermärchen für den Rundfunk sowie mehrere hundert Songs, mit denen in Polen ganze Generationen aufgewachsen sind und von denen einige sogar zu Schlagern wurden.

Gutgelaunte Maschinen

Wie Andrzej Szpilman, ein Sohn des 2000 im Alter von 88 Jahren in Warschau verstorbenen musikalischen Grandseigneurs, sich im Gespräch erinnert, verkörperte Wladyslaw Szpilman einen Musiker aus ganzer Seele: ???Trotz seiner schon vor dem Krieg nicht nur in Polen, sondern auch in Deutschland anerkannten enormen pianistischen Begabung galt seine besondere Leidenschaft dem Komponieren.“

Seine ersten musikalischen Studien absolvierte Wladyslaw Szpilman an der Warschauer Chopin-Akademie bei den Liszt-Schülern Josef Smidowicz und Alexander Michalowski. Anfang der dreißiger Jahre zog es ihn wie so viele andere, später zu Weltruhm gelangte Künstler nach Berlin. An der Hochschule der Künste wurde er Schüler des Komponisten Franz Schreker sowie des Pianisten Artur Schnabel, der für den Unterricht an dem hochbegabten Polen sogar auf sein Honorar verzichtete. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 verließ Wladyslaw Szpilman Berlin und kehrte nach Warschau zurück, wo er ab 1935 als Pianist für den Polnischen Rundfunk arbeitete.

Noch in Deutschland komponierte er 1932 die Klavier-Suite "Das Leben der Maschinen“, ein avantgardistisches Stück im Stil der "Maschinenmusiken“ der Ära unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. Die Partitur blieb lange Zeit verschollen. Doch im vergangenen Jahr gelang es An-drzej Szpilman, sie im Haus des Pianisten Jakob Gimpel, dem Bruder des Violinisten Bronislaw Gimpel, in Los Angeles aufzuspüren. So konnte das Werk im Mai 2001 in der Berliner Philharmonie mit dem Pianisten Günter Herzfeld seine verspätete Weltpremiere erleben. "Anders als zum Beispiel bei Honegger oder Antheil sind Szpilmans Maschinen nicht mächtig, bedrohlich, wuchtig“, beschreibt Herzfeld seinen Eindruck der Musik. "Sie sind eher gutgelaunt surrende, freche, manchmal hämische Maschinchen, wie zum Leben erwachte Uhrwerke oder Roboter.“ Damit offenbart sich ein kompositorisches Charakteristikum, das Wladyslaw Szpilman für sein gesamtes weiteres Schaffen erhalten bleiben sollte: die Unbeschwertheit und Heiterkeit seiner Musik. Selbst unter den grauenerregenden Existenzbedingungen im Warschauer Ghetto, wohin Wladyslaw Szpilman mit seiner Familie nach dem Einmarsch der Deutschen 1939 verbracht wurde, gelang es ihm, Stücke zu schreiben, mit denen er den Menschen ein wenig Lebensfreude zu vermitteln suchte, etwa das 1940 geschriebene "Concertino für Klavier und Orchester“. Für die Konzerte im Ghetto komponierte er sogar ein Mini-Musical und natürlich viele Songs. Die Arbeit an den Songs setzte er auch nach dem Krieg fort, hauptsächlich um Geld zu verdienen. ???Er nahm diese Kompositionen nie in dem Sinne ,ernst‘, wie man es von vielen anderen, oft ziemlich unbedeutenden Komponisten kennt. Die Songs zum Beispiel schrieb er häufig wie nebenher, in drei, vier Minuten“, erzählt Andrzej Szpilman. ???Manchmal warf er ihre Notation auf die Serviette eines Kaffeehauses, in dem er sich gerade befand. Noch heute tauchen zuhause solche ,komponierten Servietten‘ auf.“

Darüber hinaus war Wladyslaw Szpilman damit beschäftigt, das nahezu völlig zerstörte Orchesterwesen wieder aufzubauen. Das erwies sich als außerordentlich schwierig, hatte doch ein großer Teil der vor dem Krieg tätigen Musiker den Holocaust nicht überlebt. Des weiteren nahm ihn die Arbeit beim Rundfunk in Anspruch. Bis 1963 leitete er die Musikabteilungen der zwei, später drei Radioprogramme des Polnischen Rundfunks. 1961 organisierte er in Zopot das berühmte Festival ???Musik kennt keine Grenzen“. Der Sinn des Festivals war, dass ein prominenter westlicher Künstler in Zopot polnische Songs vortrug, wobei man polnischerseits die Hoffnung hegte, erfolgreichen Songs den Weg in die Welt zu ebnen. Daraus wurde nichts. Und so gab Szpilman das Unternehmen wieder auf.

Seine 1936 begonnene Solokarriere als Pianist konnte er nach den Ereignissen des Krieges aus nervlichen Gründen nicht mehr fortsetzen. Doch war er weiterhin als Pianist in verschiedenen Formationen tätig. Anfang 1946 ging er für einige Monate nach Schweden, wo er mehrere Konzerte gab und auch einige Schallplatten für den Rundfunk aufnahm. Im Jahr darauf unternahm er mit dem Violinisten Bronislaw Gimpel eine Tournee nach Argentinien. 1948 unterbanden die Kommunisten alle Kontakte zum westlichen Ausland und mit den Reisemöglichkeiten war es bis 1956 vorbei. 1957 aber ging Wladyslaw Szpil-man wieder auf Tournee mit Gimpel und zwar nach Deutschland und Italien. 1963 gründete er zusammen mit Gimpel das Warschauer Klavierquintett. Dabei handelte es sich um das damals international einzige Klavierquintett.

Polnische Songs in Amerika

Dem Einsatz von Andrzej Szpilman, der 1983 Polen verließ und vor zwei Jahren als Mitarbeiter des Polnischen Rundfunks nach Warschau zurückkehrte, ist es zu verdanken, dass einige der verschollenen Kompositionen Wladyslaw Szpilmans wieder aufgefunden werden konnten. Die Partituren des noch aus der Vorkriegszeit stammenden Stücks "Walzer im alten Stil“ sowie das 1940 entstandene ???Concertino für Klavier und Orchester“ hatte Wladyslaw Szpilman noch selbst rekonstruieren können. Sein Violinkonzert hofft Andrzej Szpilman in Los Angeles zu finden, wo es vor dem Krieg von den Geigern Bronislaw Gimpel, Roman Torenberg und Konrad Winawer aufgeführt worden war. Was bisher an klassischen Partituren gesammelt werden konnte, ist im Musikverlag Boosey & Hawkes erschienen, wo auch die Klavierminiaturen herauskommen werden, die Szpilman für Kinder komponierte. Von Szpilmans Songs ist soeben bei Sony in den Vereinigten Staaten eine CD fertiggestellt worden, interpretiert von Wendy Lands. Und wie Andrzej Szpilman hervorhob, ???ist es das erste Mal in der Musikgeschichte, dass polnische Songs in Amerika gecovert werden“. (Die Tagespost)


© Andrzej Szpilman 2010